AG Frankfurt: Pauschalreise wegen Corona auch ohne Reisewarnung kostenfrei stornierbar

Das AG Frankfurt am Main (32 C 2136/20, Volltext) hat nun die erste einer ganzen Welle von erwarteten Entscheidungen verkündet, in der es um die Stornierung (jur.: Rücktritt) einer Pauschalreise wegen der Corona-Pandemie ging.

Musterschreiben für das Erstattungsverlangen finden sich hier.

§ 651h BGB sieht Entschädigung des Veranstalters vor

Grundsätzlich ist eine Stornierung jederzeit möglich, das Gesetz sieht aber bei einer Stornierung durch den Reisenden eine Entschädigung in § 651h Abs. 1 BGB vor, die in der Regel in AGB mit einer „Stornostaffel“ belegt wird. Wer erst kurz vor Abreise storniert, muss demnach teils 90% und mehr des Reisepreises zahlen.

Ausnahme: § 651h Abs. 3 BGB: Erhebliche Beeinträchtigung der Reisedurchführung

Anders gilt dies, wenn die Reisedurchführung voraussichtlich erheblich beeinträchtigt würde. Dann ist gem. § 651h Abs. 3 BGB keine Entschädigung zu zahlen, etwaige Anzahlungen sind zu erstatten.

Kernaussagen des Gerichts: Nicht zu früh stornieren, aber keine Reisewarnung erforderlich

Die Entscheidung enthält zwei wichtige Aussagen, die auch so von spezialisierten Juristen seit Anbeginn der Krise so vorhergesagt wurden:

Im Falle eines „übereilten“ Rücktritts fällt in aller Regel eine Entschädigung gemäß § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB an. Daran ändert sich nichts, wenn sich im Nachhinein eine Betroffenheit der späteren Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergibt und sich der Rücktritt ex-post darauf stützen ließe

Aber selbst dann ist noch aus Sicht des Reisenden etwas zu retten, ob eine Reisewarnung vorlag, ist nämlich unbeachtlich:

Erforderlich ist hierbei nicht zwingend, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits Reisewarnungen für das Reisegebiet vorliegen oder dass das Zielgebiet von
dem Ausbruch betroffen ist. Vielmehr genügt zur dahingehenden Einordnung bereits eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung

Fazit für Reisende

Für viele Reisende ist diese Entscheidung eine gute Nachricht, es ist zu erwarten, dass sich auch andere Gerichte dieser Ansicht anschließen werden. Selbst an Gerichtsstandorten, die als besonders veranstalterfreundlich gelten (von hier aus viele Grüße an den Rhein und die Leine), wird man nur schwer an dieser Einschätzung vorbeikommen. Für Reisende gilt jedoch, dass gründlich abgewogen werden sollte, ob eine Stornierung frühzeitig erfolgt, um höhere Stornokosten zu vermeiden, oder ob schlicht abgewartet wird. Meine Empfehlung ist es, im Zweifel die Reise anzutreten, für Einschränkungen ggf. Minderungsansprüche geltend zu machen und nur bei einem massiven Umschlagen der Situation (wie derzeit für Spanien) dann – unproblematisch – kostenfrei vom Reisevertrag zurückzutreten.

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