AG Köln: Entschädigung trotz Ausrede „Covid19-Pandemie“

Das AG Köln hat in einer aktuellen Entscheidung den pauschalen Verweis auf die Covid19-Pandemie im Rahmen einer Annullierung eines Fluges vom 18. März 2020 nicht für ausreichend gehalten, um außergewöhnliche Umstände anzunehmen, eine Entschädigung ist daher zu zahlen.

Covid19 als außergewöhnlicher Umstand?

Am 18. März 2020 zog die Europäische Kommission die Notbremse und startete den Versuch, Wirtschaftsförderung auf dem Papier zu starten: In einer Stellungnahme geht die Kommission davon aus, dass die Pandemie einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, sodass im Falle einer Annullierung keine Entschädigung zu leisten ist.
So kritikwürdig diese offenbar zum Ziel gelenkte Einschätzung schon ist, so irrelevant ist sie: Sie hat keine rechtliche Bindungswirkung, wenn auch zu befürchten war, dass Gerichte sich auf diese berufen werden.

Ansprüche erreichen Entscheidungsreife

Die ersten Ansprüche erreichen dabei vor Gericht inzwischen die Entscheidungsreife und es fallen schon die ersten Airlines um. So habe ich es bei Eurowings und auch Wizz Air erlebt, dass diese – vermutlich zur Vermeidung einer Entscheidung – den Anspruch ausgeglichen oder anerkannt haben. Streitgegenstand waren dort aber stets Flüge, die mitten in der Pandemiephase noch erst gebucht wurden.

AG Köln zu Hochphase der Covid19-Pandemie

In einer aktuellen Entscheidung des AG Köln geht es aber um einen Flug vom 18. März, der Hochzeit der pandemiebedingten Einschränkungen. Wenn auch mir das AG Köln inzwischen als äußerst airlinefreundlich bekannt ist, findet das Gericht für den offenbar nur pauschalen Verweis auf die Pandemie klare Worte:


„Die Beklagte lässt sich dahingehend ein, der Flug aufgrund der Covid19-Pandemie annulliert worden sei. Dabei verweist die Beklagte diesbezüglich auf die Schlichtungsempfehlung aus dem Schlichtungsverfahren SÖP, Az: F 131561/20, Sie verwiest zudem auf die – nicht verbindlichen – Auslegungsleitlinien der Europäischen Kommission vom 18.03.2020 für die Passagierrechte nach der EG-VO 261/04 und nimmt insbesondere darauf Bezug, dass die Kommission unter Punkt 3.4. ausführt, dass behördliche Maßnahmen zur Entgegenwirkung der Pandemie ihrer Natur nach nicht zum üblichen Betrieb eines Luftverkehrsunternehmens gehören und daher außergewöhnliche Umstände darstellen sollten. Die Leitlinien führen beispielhaft aus, dass dies anzunehmen sein soll, wenn Behörden bestimmte Flüge entweder von Rechts wegen verbieten oder den Personenverkehr in einer Weise untersagen, die de facto die Durchführung des betreffenden Flugs ausschließt. Der rechtliche Gehalt der Auslegungsleitlinien mag mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH durchaus in Einzelfällen seine Geltung beanspruchen können. Vorliegend kann jedoch dahinstehen, ob ein außergewöhnlicher Umstand in Form der Covid-19-Pandemie vorlag. Denn jedenfalls hat die Beklagte vorliegend -trotz Aufforderung des Gerichts, die entsprechenden Flugdokumentationen vorzulegen-, nicht substantiiert dargelegt, dass der von ihr behauptete außergewöhnliche Umstand auch tatsächlich kausal für die Annullierung des streitgegenständlichen Fluges geworden ist.
Der pauschale Verweis auf die Covid19-Pandemie genügt gerade nicht, um die Annahme einer Kausalität der streitgegenständlichen Annullierung und des außergewöhnlichen Umstandes zu rechtfertigen.“

AG Köln, Urt. v. 30.10.2020, 159 C 182/20

Also Feuer frei?

Wenn auch die Entscheidung für richtig halte, ist sie in erster Linie eine Klatsche für die Vertreter des Luftfahrtunternehmens, die hier offenbar wenig sorgfältig vorgetragen haben, denn das Gericht schließt sich grundsätzlich der Europäischen Kommission an. Ob Airlines aber in jedem Einzelfall werden darlegen können, warum die Annullierung eines konkreten Fluges tatsächlich pandemiebedingt erforderlich war? Zumindest für Flüge, die bereits nach Beginn der ersten Pandemiewelle gebucht wurden, bin ich jedoch sehr optimistisch, was den Entschädigungsanspruch angeht.

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