Ticketautomat der Bahn

EuGH: Widerrufsrecht für BahnCard

Die Deutsche Bahn hat es nicht so mit dem Verbraucherrecht. Offenbar wähnt man sich dort in vielen Nischen zugleich, die die Rechte von Verbrauchern beschneiden. Recht deutlich wird das zum Beispiel beim unternehmenseigenen Bonusprogramm Bahn.Bonus, bei dem Prämien für Punkte „gekauft“ werden und die Bahn dennoch meint, es bestünde kein Widerrufsrecht

Bisherige Linie der Bahn

Für eine im Wege des Fernabsatzes erworbene Bahncard berief sich die Bahn bisher darauf, dass die Bahncard kein Vertrag über eine Dienstleistung sei und zudem die Ausnahme des § 312 Abs. 2 Nr. 5 BGB, „Vertrag über die Beförderung von Personen“ greife.

Entscheidung des BGH: Widerrufsrecht besteht

Der EuGH bejaht ein Widerrufsrecht. Insbesondere ist die Interessenlage des Unternehmers nicht in gleicher Weise gravierend betroffen, wie bei einem Widerruf von Beförderungsleistungen:

„Drittens sind, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, mit der Existenz eines Widerrufsrechts nach Art. 9 der Richtlinie 2011/83 im Anschluss an den Erwerb einer Karte, die es ermöglicht, beim späteren Erwerb von Fahrscheinen für die Personenbeförderung einen Rabatt in Anspruch zu nehmen, für das Unternehmen, das die Personenbeförderung durchführt, keine unverhältnismäßigen Nachteile verbunden, die mit denen vergleichbar wären, die nach den Feststellungen im Urteil easyCar bei der Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen eines Mietvertrags über ein Kraftfahrzeug auftreten.“

EuGH Urt. v. 12.03.2020, C‑583/18 Rn. 36

Nicht zu früh gefreut: Bahncard-Rabatt kann nachgefordert werden

Eine vermeintliche Lücke, die auch der EuGH ahnt, schließt dieser aber sogleich:

„Wurde hingegen während der Widerrufsfrist ein solcher Fahrschein erworben, wäre es nach den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen möglich, den Verbraucher zur Zahlung der Differenz zwischen dem ermäßigten Fahrscheinpreis infolge der Benutzung der Rabattkarte und dem normalen Fahrscheinpreis heranzuziehen.“

EuGH Urt. v. 12.03.2020, C‑583/18 Rn. 37.

Wie diese Lösung nach nationalem Zivilrecht erfolgt – durch eine Wertersatzverpflichtung nach Widerruf der Bahncard oder eine vertragliche Vereinbarung im Rahmen des Ticketerwerbs – gibt der EuGH nicht an. Das bleibt also ein spannendes Thema.

Probebahncard nicht gekündigt? Jetzt wäre die Chance

Vermutlich kennt jeder einen Bahncard-Kunden, der vergessen hat, seine Bahncard zu kündigen. Zumindest für Kunden der Probe-Bahncard eröffnet sich nun ein Fensterchen: Wer bei Vertragsschluss nicht zutreffend über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, kann nun gem § 356 Abs. 3 S. 2 BGB 12 Monate und 14 Tage lang einen Widerruf erklären. Hier sollten aber vorher die finanziellen Folgen einer eventuellen Rückforderung der bisherigen Ersparnis durchgerechnet werden.

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