In einem aktuellen Verfahren vor dem OLG Koblenz für die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen konnte ich erfolgreich einen Unterlassungsanspruch für eine Gestaltung durchsetzen, die Verbraucher von der Nutzung des gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsbutton abhält.
Zur Rechtslage
§ 312k BGB fordert kurz gefasst bei Verträgen über Dauerschuldverhältnisse, die online abgeschlossen werden können, ein Kündigungsformular auf der Website des Unternehmens, das besonders einfach zugänglich sein muss.
Erste Welle: Kein Kündigungsbutton
Nach Einführung der Neuregelung wurden diverse Unternehmen abgemahnt und verklagt, die den Kündigungsbutton entweder gar nicht vorsahen, oder durch rechtswidrige Hürden (z.B. vorheriger Login erforderlich) dem Verbraucher Steine in den Weg gelegt haben. Wer weiß schon noch nach z.B. 1,5 Jahren Vertragslaufzeit die seit Abschluss nicht mehr benötigten Zugangsdaten zum Kundenportal seines Internetproviders?
Neuer Trick: Kündigungsformular „verstecken“
Einfach zu erklärende Kündigungen sind Unternehmen ein Dorn im Auge. Vermutlich aus diesem Grund ist es kein Zufall, dass Unternehmen nunmehr versuchen, durch Aufbau und Gestaltung ihrer Websites Verbraucher vom einfachen Kündigungsweg wegzulenken. Das war vielleicht auch der Grund, warum die 1 & 1 Telecom GmbH eine Gestaltung gewählt hatte, die im oberen Teil der auf der Startseite verlinkten Kündigungsseite prominent auf einen Kündigungsassistenten verwies. Dieser erforderte u.a. einen Login und führt – das ist nur eine Vermutung aus Parallelfällen auch nicht direkt zur Erklärung einer Kündigung sondern verstrickt Verbraucher noch in das Spielchen der sogenannten „Kündigungsvormerkung“. Unter dem bunten und gut sichtbaren Link zum Assistenten befand sich dann das Formular, das nach Ansicht von 1 & 1 die Vorgabe des § 312k BGB erfüllen sollte.
Das Problem: Der bunte auffällige Button verleitet zum Anklicken und schon werden Verbraucher vom einfachen Kündigungsformular weggeführt. Zudem erforderte die Gestaltung auf gängigen Bildschirmauflösungen ein herunterscrollen, bevor man das Kündigungsformular findet. Diverse Anfragen, auch aus meinem persönlichen Umfeld, haben diesen Eindruck bestätigt „Sag mal, wo finde ich denn bei 1&1 das Kündigungsformular?“
LG Koblenz: Gestaltung ist in Ordnung
1&1 hat sich darauf berufen, dass es ihr nicht untersagt sei, neben dem Kündigungsformular gem. § 312k BGB auch zusätzliche Kündigungswege anzubieten. Diese Auffassung dürfte durchaus noch vertretbar sein. Das LG Koblenz hat die Klage abgewiesen und – kurz gefasst – ausgeführt, dass das für einen aufmerksamen Verbraucher schon alles wunderbar zu erfassen sei. Ich über das Urteil entsetzt, widerlegte doch die Erfahrung aus meinem persönlichen Umfeld von Menschen, die ich als internetaffin bezeichnen würde, diese Einschätzung.
Die Berufung leitete ich daher recht ungewöhnlich ein:
„Der Unterzeichner regt an, dass sich das Gericht einmal vor der weiteren Auseinandersetzung mit diesem Vorgang auf die Website unter www.1und1.de begibt, dort den Link „Vertrag kündigen“ im unteren Teil der Seite auswählt und hiernach so vorgeht, als ginge es darum, einen DSL-Vertrag zu kündigen. Sowohl im Hause des Klägers, als auch im privaten Umfeld des Unterzeichners zeigte sich dabei eine Auffälligkeit im Vorgehen der Websitenutzer, die Gegenstand dieses Verfahren ist.“
OLG Koblenz: Rechtswidrig
Vielleicht hat dieses Experiment geholfen und dem Gericht gezeigt, dass der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher durch eine solche Gestaltung eben doch abgelenkt wird, die Berufung hatte Erfolg. Das Gericht begründet kurz und überzeugend:
Soweit das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Gestaltung der Seite diesen Vorgaben Rechnung trägt und beide Kündigungsmöglichkeiten gleichberechtigt untereinander stehen, hält dies aber rechtlicher Prüfung nicht stand. Vielmehr ergibt die gebotene Abwägung aller maßgeblichen Umstände im wertenden Blick auf das – verbraucherschützende – Motiv der Neuregelung, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörtert, dass die Gestaltung der Bestätigungsseite nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Wenn der Kunde von der Kündigungsseite auf die Bestätigungsseite gelangt ist, auf der er die Kündigungserklärung direkt abgeben können soll, sticht ihm die leuchtend gelb gestalte Schaltfläche „Kündigungs-Assistent“ ins Auge. Dies ist in der Regel der Fall, bevor der Kunde das Kündigungsformular und den Bestätigungsbutton zur Kenntnis nehmen kann. Über den „Kündigungs-Assistenten“ gelangt er sodann zu einer Einstellung, die den Kunden über das Einloggen in ein Kundenkonto zu einer Kündigungsmöglichkeit führt. Diese Kündigungsmöglichkeit erfüllt, was die Beklagte auch eingeräumt hat, nicht die gesetzlichen Vorgaben des § 312k Abs. 2 BGB, ist aber – wie bereits gezeigt – durch diese Vorschrift auch nicht verboten. Über dem Button steht – fettgedruckt – einleitend: „Schnell kündigen mit wenigen Klicks. Nutzen Sie unseren Kündigungs-Assistenten“. Dies kann und wird regelmäßig beim Durchschnittskunden den Eindruck erwecken, er könne nur über diese Schaltfläche die Kündigungserklärung abgeben und ihn von der nachfolgenden „gesetzlichen Kündigungsmöglichkeit“ mit Ausfüllen des „Kündigungsformulars“ und dem Betätigen des Buttons „Jetzt kündigen“ fernhalten.
Nicht auf jedem digitalen Endgerät ist zudem immer die ganze Bestätigungsseite vollständig zu sehen, so dass der Verbraucher häufig (zunächst) nur den Kündigungs-Assistenten zur Kenntnis nehmen wird. Die gesetzlich vorgesehene Kündigungsmöglichkeit über die Eingabe bestimmter Daten und die Betätigung des Bestätigungsbuttons kann er hingegen häufig nur wahrnehmen, wenn er die Seite herunterscrollt. Sie tritt dadurch markant hinter die Kündigungsmöglichkeit mittels „Kündigungs-Assistent“ zurück und steht optisch keinesfalls gleichberechtigt zur Verfügung. Zudem ist der Bestätigungsbutton in blau gehalten, also farblich deutlich zurückgenommen gegenüber dem leuchtenden Gelb des „Kündigungs-Assistenten“.
Eine Erklärung, warum es neben dem Kündigungs-Assistenten auch das Kündigungsformular gibt und dass es sich nur um verschiedene Möglichkeiten handelt, die Kündigung zu erklären und dafür jeweils andere Daten mitgeteilt werden müssen, findet sich auf der Bestätigungsseite nicht.
Der Kunde muss sich selbst erschließen, dass er durch Ausfüllen und Absenden des Kündigungsformulars ebenfalls kündigen kann, wohingegen der Kündigungs-Assistent als einfache Kündigungsmöglichkeit angepriesen wird.
Durch die Gestaltung wird deshalb eher Verwirrung gestiftet und die Zugänglichkeit des Kündigungs-Buttons (unnötig) erschwert. Die gesetzlich vorgeschriebene leichte Zugänglichkeit (faktische Erreichbarkeit) fordert zumindest, dass beide Kündigungsmöglichkeiten ebenbürtig dargestellt werden und gleichzeitig zur Kenntnis genommen werden können, was hier gerade nicht der Fall ist.
Fazit
Diese Entscheidung dürfte für viele Unternehmen Anpassungsbedarf erzeugen, die bisher durch irreführende Gestaltungen versuchen, Verbraucher vom einfachen Kündigungsformular wegzulenken. Für Verbraucher, die in der Vergangenheit ihren Vertrag außerordentlich fristlos unter Verweis auf § 312k Abs. 6 gekündigt haben, ist das vorliegende Urteil auch ein Meilenstein. Diese sollten nun unter Verweis darauf überzahlte Beträge erstattet verlangen.
OLG Koblenz, Urt. v. 19.09.2024, 2 U 437/23 hier im Volltext Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen