Mit dem A330 neo bietet Condor ein richtig tolles Produkt für Business Class Passagiere auf der Langstrecke an. Eine schicke Kabine, (etwas langsames) WiFi, gutes In-Flight-Entertainment, üppige und sehr schmackhafte Speisen, eine sehr leise Kabine (dazu noch noice cancelling Kopfhörer), dazu ein meist sehr aufmerksamer Service, wie man ihn von deutschen Airlines eher nicht gewohnt ist. Was man schon gar nicht dort gewohnt ist: Ein richtig guter Sitz, auf dem lange Flüge besonders schnell vergehen. Das Produkt bewirbt Condor, berechtigterweise, stolz auf seiner Website.
Privilege-Style Ersatzflugzeug
Immer wieder kam es jedoch vor, dass Fluggäste sich nicht in dem stylishen Ambiente der auf der Website zu sehenden Flugzeuge im Ringelsockenmuster wiederfinden, sondern in einer wirklich alten Möhre: Einem Flugzeug der spanischen Privilege-Style.
Am 21. Januar 2024 war es soweit und meine Mandanten fielen vom Glauben ab, als sie das Flugzeug EC-MUA betraten: Eine heruntergekommene Kabine, dazu wenig aufmerksames Personal, das auch mit der deutschen Sprache nicht sonderlich gut vertraut war.
Der Einsatz war kein Einzelfall, so zum Beispiel in den letzten Monaten:
Erhebliche Mängel an Bord
Ein Sitz ließ sich gar nicht verstellen und blieb schlicht aufrecht stehen:
Der zweite Sitz kam nicht in die beworbene flache Schlafposition. Dazu war das Inflight-Entertainment (ein uraltes Mäusekino) ausgefallen:
Noice cancelling Kopfhöhrer wären in dem rund 22 Jahre alten Flugzeug bitter nötig gewesen, aber auch nicht vorhanden. Für Abhilfe wurde auf Anfrage nicht gesorgt. Kurz: Das passt so hinten und vorne nicht zu der Erwartung der Fluggäste Condors.
AG Frankfurt: Erstattungsanspruch dürfte bestehen
Nachdem Condor (unsinnigerweise) den katastrophalen Zustand der Kabine einfach bestritten hatte, wir aber weitere Belege vorlegten, fand am AG Frankfurt nun eine mündliche Verhandlung statt. In der Tendenz schloss sich das Gericht unserer Auffassung an, dass auch im Falle einer Business-Class-Beförderung, bei der aber wesentliche Eigenschaften der beworbenen Leistung nicht erbracht werden, ein Anspruch auf die Herabstufungsentschädigung aus Art. 10 Abs. 2 der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG bestehen dürfte, der sich auf der Langstrecke auf immerhin 75% der Flugscheinkosten (abzgl. geringer Steuern und Gebühren) beläuft. Wir haben 75% für den gänzlich nicht verstellbaren Sitz verlangt, für den nur teils verstellbaren Sitz haben wir lediglich 50% geltend gemacht.
Der Gericht hat es auch in Erwägung gezogen, hierzu den Europäischen Gerichtshof zu befragen. Das dürfte dann für die Mitarbeiterin Condors gereicht haben, es wurde die Klageforderung anerkannt:
Fazit: Faktisches Downgrade führt zu Erstattungsansprüchen
Wir halten es für gut vertretbar, selbst bei Beförderung in der gebuchten Reiseklasse dann eine Erstattung zu verlangen, wenn wesentliche Eigenschaften der beworbenen Leistung nicht erbracht werden, das betrifft in der Business- und First Class auf der Langstrecke insbesondere die Möglichkeit, den Sitz in ein bequemes Bett zu verwandeln. Ich sehe hier auch gute Ansatzpunkte bei ewig kaputten Sitzpolstern, die bei Lufthansa und discover Airlines für Ärger sorgen. Auch Reisende, die Flüge mit Vielfliegermeilen gebucht haben, haben einen Erstattungsanspruch.
Übrigens: Selbst Privilege Style selbst hat gemerkt, dass dieses Flugzeug besser in Cola-Dosen weiterleben sollte. Am 19. November 2024 trat das Flugzeug seinen bisher letzten Flug nach Victorville an, einem bekannten Flugzeugfriedhof.
Sollten Sie betroffen sein, stehe ich gerne für eine kostenlose Erstberatung zur Verfügung.