Heute hat der EuGH in einem von mir vertretenen Verfahren entschieden und alle drei Vorlagefragen im Sinne meines Mandanten entschieden. Die Anwälte Qatar Airways‘ haben der Luftfahrtbranche keinen Gefallen damit getan, diese Fragen nunmehr höchstrichterlich klären zu lassen.
Tickets für Angehörige von Gesundheitsberufen
In der Pandemie bot Qatar Airways unter anderem sehr günstige Flugtickets für Angehörige von Gesundheitsberufen, wie z.B. Ärzten an. Die für den Flug zu leistende Zahlung beschränkte sich auf die anfallenden Steuern und Gebühren, in diesem Fall waren es für die Strecke Frankfurt-Sydney und zurück 197,40 €:
Die Flüge wurden pandemiebedingt annulliert und nach Ende der Pandemie verlangte meine Mandantin nun eine Ersatzbeförderung an ihr Ziel. Diese verweigerte Qatar Airways und ließ sich verklagen. Das Landgericht Frankfurt am Main als Berufungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg gem. Art. 267 AEUV zur Klärung angerufen. Sämtliche Ideen Qatar Airways‘, um dem Anspruch zu entkommen, hat nun der Europäische Gerichtshof als unzutreffend beurteilt.
Kein kostenloses Ticket
Die erste Idee: Es handele sich um ein kostenloses Ticket, denn es seien ja nur Steuern und Gebühren gezahlt worden. Art. 3 Abs. 3 der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG nimmt kostenlose Tickets von der Verordnung aus. Diese Idee hielten wir für fernliegend, denn immerhin hat die Klägerin gezahlt, wenn auch nur einen kleinen Betrag. Käme Qatar Airways mit dieser Idee durch, würden z.B. hundertausende Ryanair-Passagiere rechtlos gestellt, die zu Preisen teils unter den anfallenden Steuern befördert werden. So sieht es auch der EuGH:
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 erste Variante der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast nicht kostenlos im Sinne dieser Bestimmung reist, wenn er für seine Buchung ausschließlich Luftverkehrsteuern und Gebühren zu entrichten hatte.
Tarif war für die Öffentlichkeit verfügbar
Die nächste Idee: Es durften nur Angehörige von medizinischen Berufen buchen. Ist das vielleicht ein Tarif, der nicht für die Öffentlichkeit verfügbar war,Art. 3 Abs. 3 der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG ? Auch das hat der EuGH messerscharf erkannt, dass die Gruppe der Berufsangehörigen gerade nicht begrenzt war, auch keine besondere Beziehung zum Luftfahrtunternehmen besteht, wie z.B. bei eigenen Mitarbeitern:
„Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 zweite Variante der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast nicht zu einem für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbaren reduzierten Tarif im Sinne dieser Bestimmung reist, wenn er seinen Flugschein im Rahmen einer Werbeaktion gebucht hat, die zeitlich sowie hinsichtlich der Menge der angebotenen Flugscheine begrenzt war und sich an eine bestimmte Berufsgruppe richtete.“
Das dürfte auch spannend sein für z.B. übliche Rabatte für Journalisten oder Angehörige der Reisebranche („PEP“-Rabatt).
Umbuchung ohne zeitliche Begrenzung
Wenn schon die beiden Punkte nicht zu Gunsten von Qatar Airways ausgehen, wollte man immerhin niemanden Jahre später befördern, da zwischen Ausgangsreise und neuer Reise ein zeitlicher Zusammenhang bestehen müsse. Diese Dreistigkeit hatte sich bereits Lufthansa in der Pandemie geleistet und damit in einem von mir betreuten Verfahren vor dem BGH eine Niederlage kassiert. Den Umstand, dass gerade kein Zusammenhang bestehen muss, hat nun auch der EuGH geklärt:
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 1 Buchst, c der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass für seine Anwendung das Bestehen eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem annullierten Flug und dem von einem Fluggast gewünschten anderweitigen Flug nicht erforderlich ist. Eine solche anderweitige Beförderung zum Endziel kann, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, zu vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden
Fazit
Das sind ein paar spannende Klarstellungen des EuGH, nachdem Airlines über Jahre hinweg Unsicherheiten immer wieder für sich ausnutzen wollten, um so Fluggastrechte zu verkürzen. Gerade der letztgenannte Punkt ist für Airlines hart, wird eine Umbuchung doch oft unter Verweis auf eine Phantasiefrist, wie eine Ticketgültigkeit, verweigert. Dass man damit vor dem EuGH vor die Wand rennen wollte, ist schon erstaunlich. Diese Entscheidung fügt sich in die Reihe von höchstrichterlich entschiedenen Verfahren für meine Mandanten ein, die bisher stets erfolgreich waren.
EuGH Urt. v. 16.01.2025, C-516/23, hier im Volltext