BGH Urteil Ersatzbefoerderung Annullierung Verbraucherzentrale Lufthansa

BGH: Nach Annullierung ist Ersatzbeförderung zum Wunschtermin geschuldet

Der BGH ist der Ansicht, dass Passagiere nach einer Flugannullierung den Ersatzflug – nach Verfügbarkeit – frei wählen können, wie der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. c) der VO 261/2004/EG (Fluggastrechteverordnung) es vorgibt. Dieses freie Wahlrecht gilt nur dann, wenn die Beförderung mit dem Luftfahrtunternehmen erfolgt, das auch ursprünglich den Flug durchführen sollte. Für Flüge auf „Fremdmetall“ finden Sie hier weitere Informationen.

Hintergrund: Massenannullierungen mit deftigem Aufpreis für Umbuchungen

Hintergrund dieses Verfahrens, das ich für den Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. durch zwei Instanzen gegen die Deutsche Lufthansa AG geführt habe, ist recht einfach: Es kam zu Flugannullierung (auch bedingt durch die Pandemie). Als Verbraucher dann von Ihrem Recht, einen neuen Flug mit der Lufthansa nach Verfügbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt zu buchen, hat Lufthansa versucht, ordentlich zuzugreifen: Im Fall eines betroffenen Verbrauchers sollten mehrere tausend Euro zugezahlt werden, als die Reise von Ostern 2020 auf Ostern 2021 verlegt wurde. Lufthansa ist der Auffassung, dass zwischen annullierter Reise und neuen Daten ein zeitlicher Zusammenhang bestehen muss.

Bewegter Prozessverlauf

Das Landgericht Köln hat Lufthansa im Eilverfahren dieses Vorgehen untersagt, da der Wortlaut der Verordnung klar ist: Die neuen Reisedaten darf der Verbraucher vollkommen frei wählen.

Das OLG Köln sah dies anders und hob die einstweilige Verfügung auf, ein zeitlicher Zusammenhang sei erforderlich.

Im sich dann anschließenden Hauptsacheverfahren knickte nunmehr auch das LG Köln ein und das OLG Köln war wenig überraschend gleicher Ansicht.

Die rechtliche Begründung war teils erfrischend, so verwies das OLG Köln unter anderem auf das deutsche Werkvertragsrecht, um die Auslegung der Verordnung der Europäischen Union zu begründen.

Für Juristen ein ungewöhnlicher Verlauf: Das OLG Köln wollte die Berufung der Verbraucherzentrale sogar gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückweisen. Kurz zusammengefasst kommt das nur in Frage, wenn die Berufung der Verbraucherzentrale evident keine Erfolgsaussichten hätte. Erst durch ein dem Gericht vorgelegtes Rechtsgutachten, wonach eine Vorlage der Rechtsfrage zum Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV erforderlich sein dürfte, konnte das Gericht hier zu einer 180-Grad-Wende gebracht werden: Es ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu.

Ansicht des BGH: Keine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht

In der Verhandlung des Bundesgerichtshofs am 4. April 2023 X ZR 50/22 positionierte sich der Senat eindeutig: Es ist – das gibt schon der Wortlaut der Regelungen nicht her – kein zeitlicher Zusammenhang erforderlich zwischen annullierter Buchung und gewünschter Ersatzbeförderung. Nachdem der Bundesgerichtshof das Verfahren wegen eines schon laufenden und ebenfalls von mir betreuten Vorabentscheidungsverfahrens am Europäischen Gerichtshof zunächst aussetzte, das Verfahren beim EuGH aufgrund einer Einigung aber aus dem Register gestrichen wurde, hat der Bundesgerichtshof heute zu Gunsten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen entschieden. Damit ist klar: Ein zeitlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn Passagiere nach einer Annullierung ein anderes Reisedatum mit der gleichen Airline wählen wollen. Auch z.B. besonders beliebte und damit hochpreisige Reisedaten können so gewählt werden.

BGH, Urt. v. 27.06.2023, X ZR 50/22, bisher ohne Entscheidungsgründe

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