Ihr Flug wurde annulliert? Durch das Recht auf Ersatzbeförderung haben Sie eine verbraucherfreundliche Lösung parat, die mit etwas Überlegung zu guten Ergebnissen führt.
Neu überarbeitete Fassung vom 13. November 2024
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Dass ein Flug annulliert wird oder eine Beförderung z.B. wegen Überbuchung verweigert wird, passiert täglich unzählige Male. Die EU-Fluggastrechteverordnung gibt Verbrauchern hier viele Rechte, wenn der Flug entweder in einem Mitgliedsstaat startet oder der Flug mit einer Airline eines Mitgliedsstaates ausgeführt werden sollte. Neben der Erstattung des (ggf. anteiligen) Ticketpreises nach Art. 8 Abs. 1 lit. a) der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG (FluggastrechteVO), ist insbesondere das Recht auf Ersatzbeförderung spannend.
Wichtig: Das Recht auf Ersatzbeförderung besteht dabei unabhängig davon, ob eine Annullierung mehr als 14 Tage vor Abflug angekündigt wurde. Auch außergewöhnliche Umstände sind im Rahmen des Anspruchs auf Ersatzbeförderung irrelevant.
Ersatzbeförderung zum Wunschtermin
Der einfachste Fall ist das Recht auf Ersatzbeförderung zum Termin Ihrer Wahl nach Art. 8 Abs. 1 lit. c) der FluggastrechteVO. Gerade bei Flügen, die mit etwas Vorlauf annulliert werden, ist dies eine gute Gelegenheit, z.B. die Reise von Pfingsten auf die Sommerferien oder auf Weihnachten zu legen. Die Beförderung erfolgt zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze. Hieraus wird in der Regel gelesen, dass dabei nur auf die freien Sitzplätze des selben Luftfahrtunternehmens zurückgegriffen werden kann. War also der Flug ursprünglich mit Lufthansa gebucht, muss auch die Reise zum neuen Zeitpunkt mit Lufthansa erfolgen.
Eine Tarifdifferenz darf das Luftfahrtunternehmen nicht verlangen. So lassen sich schöne Schnäppchen machen (Bild „verkaufte“ das bei Bild Plus als genialen Spartrick in Zeiten, in denen Lufthansa zuverlässig verkaufte Flüge wieder annullierte), indem man auf besonders beliebte Flugdaten umbuchen lässt, die in der Regel teurer sind.
Zwischen der Ausgangsbuchung und dem neuen Wunschdatum kein zeitlicher Zusammenhang liegen. Wenn auch das des OLG Köln das einmal anders gesehen hat, ist in dem von mir betreuten Verfahren vor dem BGH nun die Frage zu Gunsten von Passagieren geklärt worden.
Ersatzbeförderung zum frühestmöglichen Termin
In den meisten Fällen wollen Sie schlicht an Ihr Ziel, dies möglichst zeitnah angelehnt an ihre ursprüngliche Flugplanung. In diesem Fall gibt Ihnen Art. 8 Abs. 1 lit. b) der FluggastrechteVO ein Recht auf frühestmögliche Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen. Dieses Thema ist in der Rechtsprechung bereits zu großen Teilen gut verankert, wenn auch einzelne Fragen immer noch offen sind, die ich hier einmal beleuchten möchte.
Darf ich mir einfach meinen Wunschflug selbst buchen nach Annullierung?
Das wird unterschiedlich beurteilt. Die Airline ist zwar eigentlich verpflichtet, von sich aus ein Angebot auf Ersatzbeförderung zu unterbreiten. Ich rate aber dazu, vorsorglich der Airline vor einer Buchung auf eigene Faust eine angemessene Frist zu setzen. Dabei halte ich es für sinnvoll, der Airline unverbindlich Wunschflüge vorzuschlagen, im Übrigen aber schlicht die Beförderung auf dem frühestmöglichen Flug (ohne genaue Angabe) zu verlangen. Ein Muster finden Sie hier (Tipps zur richtigen Geltendmachung).
Die Frist sollte im Hinblick auf die Dauer bis zum Abflug angemessen bemessen sein. Bei einer Annullierung 24 Stunden vor Abflug können zwölf Stunden ausreichend sein, bei einer Annullierung Monate vor Abflug dürften sieben bis zehn Tage genügen.
Verlangen Sie hiernach die Erstattung der Ihnen entstandenen Mehrkosten unter Fristsetzung von z.B. 10 Tagen (Musterschreiben hier). Wichtig: Verlangen Sie nicht die Erstattung ihrer Ausgangsbuchung! Nach Ablauf der Frist sollten Sie den Anspruch gerichtlich geltend machen oder einen Rechtsanwalt beauftragen.
Ich rate dazu, dass Sie vorher von allen verfügbaren Flugverbindungen des Tages Bildschirmfotos fertigen, um so später belegen zu können, welche Optionen zu welchen Preisen zur Verfügung standen.
Ist auch die Beförderung mit einer anderen Airline geschuldet?
Wenn Sie Ihre Airline fragen, wird diese die Frage verneinen. Umbuchungen auf Fremdairlines sind teuer und daher äußerst selten. Das ist aber nach überwiegender Auffassung falsch, die nun auch der BGH bestätigt hat (s. BGH Urt. v. 24.09.2024, X ZR 109/23). Auch mit einer anderen Airline kann eine Ersatzbeförderung geschuldet sein, selbst wenn diese nicht in der gleichen Luftfahrtallianz organisiert ist.
Aber auch hier gibt es Grenzen: Geltend gemacht wird ein Schadensersatzanspruch, wenn die Airline nicht von sich aus umbucht. Hier gilt nach deutschem Zivilrecht die Schadenminderungsobliegenheit aus § 254 BGB. Gerichte haben hier teils eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen. Wer z.B. auf der Strecke Hamburg-Düsseldorf um 15:00 Uhr statt um 14:00 Uhr ankommen würde, sich einen Ersatzflug zum erheblichen Mehrpreis für eine Ankunft um 14:30 Uhr bucht, wird hier gute Argumente für diese Mehrkosten bringen müssen.
Was bedeutet frühestmöglich?
„Früh“ ist ein relativer Begriff, der Bezugspunkt ist unklar. Geht es hierbei um die erste mögliche Beförderung ab Kenntnis der Annullierung? Das kann nicht sein, würde dies doch bei Absage z.B. drei Monate vor Abflug in den Weihnachtsurlaub bedeuten, dass Passagiere ihre Sachen binnen weniger Stunden packen und schon im September abreisen müssten.
Bedeutet „frühestmöglich“, dass der Flug am gleichen Kalendertag möglichst früh morgens erfolgen soll? Wer also Freitags um 19 Uhr abfliegen wollte, müsste nun schon um 6 Uhr am Flughafen stehen und einen zusätzlichen Urlaubstag nehmen? Nein, das kann auch nicht gewollt sein.
Bezugspunkt dürfte in den meisten Fällen entweder die ursprüngliche Abflug- oder Ankunftszeit sein, der hiernach frühestmögliche Flug wäre demnach geschuldet. So hat es auch der BGH jüngst entschieden (s. BGH Urt. v. 24.09.2024, X ZR 109/23) Hier ein Beispiel:
Was sind vergleichbare Reisebedingungen?
Der Begriff „vergleichbare Reisebedingungen“ soll in erster Linie Verbraucher und nicht Airlines schützen. Wenn sich TAP Air Portugal also darauf beruft, ein Ersatzflug mit Ryanair erfolge nicht unter vergleichbaren Reisebedingungen, weil die Landung dort häufig viel holpriger seien (das ist kein Witz!), ist das rechtlich unbeachtlich. Vergleichbare Reisebedingungen bedeuten nach von hier vertretener Ansicht, dass ein Passagier keine Beförderung in der Economy Class bei gebuchter Business Class akzeptieren muss. Das haben Gerichte vereinzelt abweichend beurteilen, ein Verfahren vor dem BGH gegen Lufthansa endete aber mit schneller Zahlung, denn dort war klar, dass unsere Auffassung sich durchsetzen wird. Auch wird es in der Regel nicht zumutbar sein, eine Umsteigeverbindung, statt einer Direktverbindung zu akzeptieren. Bucht ein Passagier sich seine Ersatzbeförderung, darf er auch weitere Leistungen wie Sitzplatzreservierung und Gepäck im eigentlich zu gewährenden Rahmen dazubuchen.
Kann auch eine Bahnfahrt oder eine Fahrt mit dem Mietwagen geschuldet sein?
Auch hier gilt: Was muss der Passagier akzeptieren, was darf er fordern? Zu akzeptieren sein dürfte eine Bahnfahrt von Frankfurt nach Stuttgart, statt der Beförderung auf dem Luftweg. Eine Bahnfahrt von München nach Düsseldorf dürfte für einen Passagier eher nicht zumutbar sein, wenn das Luftfahrtunternehmen dies anbieten. Entscheidet sich ein Passagier aber von sich aus – nach Fristsetzung – diesen Weg zu wählen, können diese Kosten unter Umständen erstattungsfähig sein, hat er sich doch selbst dann diesen Mehraufwand zugemutet. Bei Mietwagenkosten sollte stets ein Vergleich mit den Kosten anderer Beförderungsmittel erfolgen oder der Mietwagen für gleich mehrere gestrandete Passagiere genutzt werden.
Was passiert, wenn mir eine schlechtere Reiseklasse angeboten wird
Dieses Angebot muss nach einer Annullierung nicht angenommen werden. Entweder Passagiere verlangen eine Umbuchung auf einen anderen Flug oder sie akzeptieren das Downgrade und verlangen hiernach eine anteilige Erstattung. Das kann entweder auf Basis der Vorgaben in Art. 10 Abs. 1 lit. b) der FluggastrechteVO oder nach nationalem Zivilrecht (Minderung des Werklohns) erfolgen, je nachdem, was hier die lukrativeren Ergebnisse bringt.
Ist ein Flug zu einem anderen Flughafen zu akzeptieren oder kann ich einen solchen auch verlangen?
Ja, in gewissen Grenzen nehmen Gerichte dies an, auch die Verordnung sieht das vor. Zu beachten ist aber, dass die Airline dann auch gem. Art. 8 Abs. 3 der FluggastrechteVO die Transportkosten z.B. von Weeze oder Köln nach Düsseldorf zu tragen hat.
Fazit
Ersatzbeförderung ist ein hilfreiches Passagierrecht und rettet Ihre Reise. Airlines verhalten sich hierbei regelmäßig rechtswidrig und buchen nicht oder nur auf bestimmte (meist eigene) Flüge um. Sie haben Fragen, wie Sie richtig handeln? Gerne stehe ich im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zur Verfügung.