Die Entscheidung ist nicht bahnbrechend, denn das Thema ist bei der Schwesterverordnung 261/2004/EG (Fluggastrechteverordnung) hinreichend geklärt: Natürlich haben Fahrgäste auch nach einer Störung auf ihrer eigentlich gebuchten Reise bei der Weiterreise auf einer Ersatzverbindung Fahrgastrechte. Dass die Bahn sich über solche Themen ernsthaft vor Gericht streitet und es auf ein Urteil ankommen lässt, sagt viel darüber aus, wie es dort um Fahrgastrechte steht.
Ersatzverbindung nach Zugausfall
Mein Mandant verfügte über eine Fahrkarte der DB Fernverkehr AG auf der Strecke Hamburg-Mainz mit Zugbindung. Der gewählte Zug fiel mit längerer Vorankündigung aus und mein Mandant wählte einen anderen Zug aus, mit dem er Hamburg früher verlässt und auch Mainz früher erreicht. Auf dieser Verbindung kam es dann aber zu einer Ankunftsverspätung von 62 Minuten, die meinen Mandanten zur 25%igen Erstattung der Fahrscheinkosten berechtigt.
(Kein-) Servicecenter Fahrgastrechte lehnt ab
Das Servicecenter Fahrgastrechte hat natürlich den Anspruch auf anteilige Erstattung abgelehnt, wie in so vielen Fällen, die vom Einheitsbrei abweichen und ein wenig Nachdenken erfordern.
Das SCFGR schaute sich einfach die ursprünglich gebuchte Ankunftszeit an und war dann „zufrieden“.
Die hilflose SÖP konnte auch nicht zur Zahlung führen
Dass die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) nicht die beste Wahl ist, habe ich schon ausführlich begründet. Auch hier kommt sie zwar zu dem richtigen Ergebnis,
die Bahn hat sich aber dem Vorschlag der SÖP nicht angeschlossen und nicht gezahlt. Das ist das Recht der Bahn und so verlaufen viele lange dauernde Schlichtungsverfahren im Sande.
Anwaltliche Beauftragung
Mein Mandant wandte sich dann an mich, ich prüfte die Rechtslage und forderte zur Zahlung auf. Die Bahn kündigte auf meine Aufforderung hin eine Zahlung der Erstattung an, wollte aber die Kosten der anwaltlichen Vertretung nicht übernehmen. Für diese verbleibenden Kosten ging es nun noch vor Gericht, sodass das Gericht auch „in der Klammer“ prüfen konnte, ob der Anspruch auf anteilige Fahrscheinkostenerstattung besteht. Das bejaht das Gericht zutreffend:
Dass der Kläger sein Endziel Mainz im Verhältnis zur ursprünglichen Ankunftszeit bei Nutzung der –von der Beklagten annullierten- Züge mit Zugbindung lediglich mit einer Verspätung von 14 Minuten erreichte, ist rechtlich nicht von Relevanz. Eine entsprechende einschränkende Regelung sieht die Verordnung 1371/2007/EG nicht vor. Alleine abzustellen ist auf die Zugverbindung, für die der Zuggast zuletzt über ein Ticket verfügte und mit der er tatsächlich befördert wurde.
Die neu gewählte Verbindung eröffnet wieder den Anwendungsbereich der Fahrgastrechte, daher ist eine anteilige Erstattung geschuldet, sodass auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung von der Bahn zu tragen sind.
Fazit
Ich betreue seit einiger Zeit viele Fahrgastrechte-Mandate und erlebe haarsträubendes Verhalten der DB Fernverkehr AG aber auch anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen. Fahrgäste erleben schon am Zug oder Bahnhof in vielen Fällen evident rechtswidrige Informationen, was sich dann beim Servicecenter Fahrgastrechte fortsetzt. Auch Schlichtungsstellen oder die Aufsichtsbehörde sind häufig nur wenig effektiv, sodass am Ende oft #klagenhilft.
AG Frankfurt a. M. Urt. v. 26.07.2023, 31 C 4828/22 (74)