Für die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen durfte ich einmal wieder eine spannende Rechtsfrage vor Gericht bearbeiten. Die Deutsche GigaNetz GmbH bietet Glasfaserinternetverträge für Verbraucher an und vereinbart in diesen eine 24-monatige Mindestvertragslaufzeit.
Das klingt erst einmal nicht problematisch, wenn man an § 309 Nr. 9 a) BGB denkt.
24 Monate Mindestvertragslaufzeit – Ab Bereitstellung
Der Haken: Die Vertragslaufzeit von 24 Monaten soll erst ab Bereitstellung der Dienste beginnen.
Das mag branchenüblich sein (wie übrigens auch die Gegenseite meint), wir halten es aber für rechtswidrig.
Gerade bei Glasfaseranschlüssen ein Problem
Gerade für Glasfaserkunden ergibt sich das Problem, dass ein Ausbau oft erst noch erfolgen muss und der zeitliche Rahmen nicht klar ist. Wer vielleicht erst in zwei Jahren angeschlossen wird, will vielleicht für ein längst veraltetes Produkt nicht mehr viel zu viel Geld zahlen. Zugleich schützt § 309 Nr. 9 a) BGB auch Wettbewerber, für die Verbraucher nämlich spätestens nach zwei Jahren wieder „abwerbebereit“ sind, um so den Markt anzukurbeln, was den Wettbewerb stärkt.
Deutsche GigaNetz GmbH: Ausbau nur so wirtschaftlich
Vor Gericht brachte die Deutsche GigaNetz GmbH mehrere Argumente vor, darunter die Regelung des § 56 TKG. Auch argumentierte das Unternehmen damit, dass ihr Geschäftsmodell andernfalls nicht wirtschaftlich möglich sei, weil sich Ausbau erst durch lange Vertragslaufzeiten rechne. Gerade das letztgenannte Argument ist dabei besonders schwach: Auch Schmuggler hätten mit ihrem Geschäftsmodell ein Problem, wenn sie sich an bestehendes Recht handeln. Wünscht der Gesetzgeber diese Art von Geschäftsmodell, müsste er, so meinen wir, schlicht eine darauf angepasste Rechtslage schaffen oder durch z.B. Förderung von Ausbau den Unternehmen ihre Tätigkeit erleichtern. Zudem gilt § 309 Nr. 9 a) BGB für sämtliche Vertragsverhältnisse, die die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben, wie z.B. auch Fitnessstudioverträge. Der Gesetzgeber hat für Glasfaseranschlüsse gerade keine Sonderregelung geschaffen.
OLG Hamburg: Klausel ist rechtswidrig
Das OLG Hamburg bestätigt unsere Auffassung und hält die Bindung, die potentiell 24 Monate überschreiten kann, für rechtswidrig. Die Begründung des Gerichts ist dabei äußerst umfangreich und gut nachvollziehbar. Soweit die Deutsche GigaNetz GmbH auf einen unwirtschaftlichen Ausbau verwies, stellt das OLG Hamburg auch klar, dass für (nur) den physischen Anschluss eine darüber hinausgehende Ratenzahlung vereinbart werden kann (vgl. § 56 Abs. 2 TKG). Das ist aber für Unternehmen wie die Deutsche GigaNetz GmbH vermutlich schlicht nicht so attraktiv in der Vermarktung.
Revision zugelassen
Das OLG Hamburg hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, die auch (zumindest fristwahrend, Stand 21. Januar 2025) eingelegt wurde, das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig.
Fazit
Diese Entscheidung ist ein wichtiges Urteil für Verbraucher in vielen Vertragskonstellationen. Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird daraus eine besonders bedeutende Grundsatzentscheidung erwachsen. Laufzeitklauseln, die an einen späteren Zeitpunkt der zu beginnenden Mindestvertragslaufzeit anknüpfen, sind gerade im Telekommunikationsbereich üblich. Ist eine Klausel unwirksam, ist eine Kündigung des Verbrauchers nach den gesetzlichen Regeln (häufig: monatlich) ohne Einhaltung einer Mindestvertragslaufzeit möglich (anders sieht es zum Beispiel bisher das OLG Köln).
OLG Hamburg, Urt. v. 19.12.2024, 10 UKl 1/24 hier im Volltext