Preisfehler Error Fare Anfechtung Reiserecht

Preisfehler bei Reiseverträgen – So sollten Sie schnell handeln

Gerade in der Reisebranche mit ihrer zum Teil sehr dynamischen Preisgestaltung bei Flügen, Hotels aber auch Pauschalreisen kommt es immer wieder zu besonders günstigen Reisepreisen. In vielen Fällen versuchen die Unternehmen, sich unter Verweis auf einen Preisfehler / Error-Fare aus dem Vertrag herauszuwinden und lassen die Reisenden ratlos zurück. In einer großen Zahl von Fällen bestehen jedoch gute Aussichten, Ansprüche durchzusetzen. Besonders wichtig, deshalb gleich zu Beginn: Beruft sich ein Unternehmen Ihnen gegenüber auf einen Preisirrtum, ist für die besten Durchsetzungschancen ein sehr schnelles Handeln, möglichst innerhalb von Stunden, maximal wenigen Tagen, erforderlich, das Sie z.B. nach einer kostenlosen Erstberatung sofort in Angriff nehmen sollten. Und noch ein Hinweis, weil ich dies regelmäßig in Social Media erlebe: Äußerungen wie „Kann man nichts machen“ oder „Haben wir auch schon erfolglos versucht“, sollten Sie nicht entmutigen. Vermutlich äußern sich hier Laien oder schlecht beratene und/oder vertretene Verbraucher über ihre Fehlschläge.

Erste Frage: Ist überhaupt ein Vertrag zustande gekommen?

Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt ein Beherbergungs-, Beförderungs- oder Reisevertrag zustande gekommen ist. Ein Vertragsschluss erfordert rechtlich zwei übereinstimmende Willenserklärungen, das Angebot und die Annahme. Dabei ist die Regel, dass ein Angebot auf einer Internetseite häufig noch kein verbindliches Angebot im Rechtssinne darstellt, sondern vielmehr eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum). In den meisten Fällen gibt daher der Reisende durch die Buchung der Reiseleistung ein Angebot ab, das der Unternehmer dann annimmt.

Was sind typische Fälle der Annahme?

Die Annahme kann zum Beispiel ausdrücklich erklärt werden, z.B. durch Übersendung einer Buchungs- oder Reisebestätigung. Auch eine Zahlungsaufforderung nach der Buchung durch den Unternehmer wird in der Regel als Annahme des Angebots zum Vertragsschluss zu werten sein. Ab diesem Zeitpunkt sind Sie also auf der sicheren Seite. Sie können sich die Annahme des Angebots auf Abschluss des Vertrages auch – z.B. durch Zeugen – bestätigen lassen, wenn es sich z.B. um besonders kurzfristige Buchungen handelt. Hier gilt es, auch sämtlich online verfügbaren Unterlagen zu sichern, wie z.B. die Flugbuchungsbestätigung / das E-Ticket.

Sonderfall Optionsbuchung

Eine Optionsbuchung ist vor allem bei Flügen und Pauschalreisen üblich. Dabei handelt es sich um einen Vorvertrag, der dem Reisenden (in der Regel gegen Entgelt) das Recht einräumt, den eigentlichen Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt und zu vorher festgelegten Bedingungen abzuschließen. Auch solche Optionsbuchungen führen nach den vorstehenden Grundsätzen zu einem verbindlichen Vertrag.

Zweite Frage: Greift hier § 242 BGB bei offensichtlichen Preisirrtümern?

Im nächsten Schritt hat die Rechtsprechung ein Sicherheitsnetz für Unternehmen eingezogen: Den Einwand des treuwidrigen Verhaltens nach § 242 BGB. Auf diesen Einwand kann sich ein Unternehmen berufen, wenn zwar nach den vorstehenden Grundsätzen die Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss vorlagen, aber

  • der Buchende den Preisirrtum als solchen erkannt hat,
  • das Festhalten am Vertrag für den Unternehmer schlechthin unzumutbar ist und
  • diese Unzumutbarkeit für den Buchenden auch erkennbar ist.

Bereits an dieser Stelle ergibt sich für den Reisenden ein großer Argumentationsspielraum.

  • Wollen Reiseveranstalter, Hotels und Fluggesellschaften vielleicht nur nicht verkaufte Restplätze loswerden, um zusätzliche Einnahmen zu generieren, so wie beispielsweise Billigflieger ihre Preise regelmäßig mit einer Unterschreitung der anfallenden Steuern und Gebühren begründen?
  • Haben Unternehmen besonders aggressiv mit unglaublich günstigen Preisen geworben (ja, ich meine euch, liebe hysterisch schreiende Check24-Familie)?
  • Oftmals gibt es erhebliche Preisunterschiede von mehreren hundert Prozent für vergleichbare Reiseleistungen.
Hochprozentige Rabatte sind gerade bei Reiseleistungen nicht ungewöhnlich

Die einwöchige Pauschalreise in der Hauptsaison in einem 5-Sterne-Club mit All-Inclusive-Verpflegung auf den Kanaren für nur 5,00 € dürfte wohl kaum über die Hürde des § 242 BGB zu hieven sein. Viele andere Preisirrtümer scheitern aber eher nicht daran, auch wenn dies die Standardbegründung der Unternehmer ist.

Dritte Frage: Liegt eine wirksame Anfechtung vor?

Die letzte Möglichkeit des Unternehmers, den Hals aus der Schlinge zu ziehen, ist die sog. irrtumsbedingte Anfechtung des geschlossenen Vertrages nach §§ 119 ff. BGB. Dies wird von Unternehmen regelmäßig versucht, wobei in der Praxis viele Fehler gemacht werden.

Anfechtungsgrund vorhanden?

Nicht jeder unliebsame Vertrag kann durch eine Anfechtung wegen Irrtums rückgängig gemacht werden. Der Gesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, dass einmal geschlossene Verträge bindend sind (pact sunt servanda). Es gibt daher nur abschließend geregelte Anfechtungsgründe, die im Interesse der Rechtssicherheit eng auszulegen sind.

Erklärungsirrtum

Der klassische Irrtum bei Preisirrtümern ist der Erklärungsirrtum. Beim Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 2. Alt. BGB liegt ein Irrtum bei der Umsetzung des Erklärungswillens in eine entsprechende Erklärung vor. Der Erklärende gibt objektiv eine Erklärung ab, die er subjektiv nicht abgeben wollte. Typische Beispiele sind das Versprechen, das Vertippen oder das Verklicken.
Beispiel: Mitarbeiter A des Reiseveranstalters vertippt sich bei der Eingabe des Reisepreises, statt 2.199,00 € gibt er 1.1.99,00 € ein.

Inhaltsirrtum

Eher selten in Preisirrtumskonstellationen ist der Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB. Hier irrt der Erklärende zwar nicht über den Inhalt seiner Erklärung. Er misst aber dem Inhalt seiner konkret gewollten Erklärung (subjektiv) eine andere Bedeutung bei, als ihr tatsächlich (objektiv) zukommt. Ich erinnere mich an einen Fall vor einigen Jahren, in dem das Hotel Bayerischer Hof München zu einem besonders günstigen Preis angeboten wurde. Tatsächlich war im System des Reiseveranstalters ein wesentlich günstigeres Hotel in einer Nachbarstadt hinterlegt. Während der Veranstalter das Hotel in München bewarb und der Reisende dieses auch buchte, handelte es sich in Wirklichkeit um ein anderes Hotel in der Nähe, was die Reisenden, die sich zunächst über ihr Schnäppchen gefreut hatten, verärgerte.

Sonderfall: Kalkulationsirrtum

Von großer Bedeutung ist der so genannte Kalkulationsirrtum. Dieser liegt vor, wenn sich der Erklärende bei der Berechnung des Reisepreises oder einzelner Berechnungsfaktoren (z.B. Anzahl der Reisetage) geirrt hat. Wichtig: Der Kalkulationsirrtum berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung, es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Irrtum für den Buchenden offensichtlich ist (z.B. falsche Angabe der Anzahl der Tage, die dann zum Endpreis führt).
Hier verbirgt sich auch der Klassiker der Preisfehler bei Reiseveranstaltern. Oft handelt es sich bei den angebotenen Reiseleistungen nur um den Weiterverkauf von bei Dritten eingekauften Leistungen, auf die eine Marge aufgeschlagen wird. Ein Irrtum des erklärenden Reiseveranstalters liegt hier nicht vor. Er hat objektiv das erklärt, was er erklären wollte. Der Inhalt der Erklärung deckt sich auch mit der „Vorstellung“ des Reiseveranstalters vom Inhalt des Geschäfts. Die Erwartung, die Reiseleistung tatsächlich bei seinem Lieferanten zu einem günstigen Preis erwerben zu können, ist lediglich ein Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt.
Reiseveranstalter sind im Übrigen nicht schutzlos gestellt, wenn ihre Lieferanten ihnen gegenüber eine Anfechtung erklären; sie haben gegen ihre Lieferanten einen Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB. Dass Reiseveranstalter diese Ansprüche aus Sorge um ihre Geschäftsbeziehung wahrscheinlich nicht geltend machen werden, steht auf einem anderen Blatt.

Anfechtungserklärung und -frist

Im Falle eines Irrtums muss die Anfechtungserklärung dem Reisenden unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zugehen. Als Faustregel wird man in der Regel eine Frist von 7-14 Tagen ab positiver Kenntnis des Irrtums einräumen müssen. Im Einzelfall kann aber auch eine kürzere Frist gelten.
Der Anfechtende muss den Zugang der Erklärung im Zweifel beweisen können. Die Anfechtungserklärung muss nicht den Begriff der Anfechtung nach § 143 BGB enthalten. Es genügt, dass erkennbar wird, dass der Erklärende wegen eines Irrtums an dem Vertrag nicht mehr festhalten will. Ob die dem Irrtum zugrunde liegenden Tatsachen, die den Willensmangel begründen, anzugeben sind, ist umstritten. Gute Gründe sprechen aber dafür: Der Anfechtungsgegner wird in der Regel nur so in die Lage versetzt, zu prüfen, ob eine wirksame Anfechtung vorliegt.

Und weitere Kniffe…

Selbst wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt und eine Anfechtungserklärung unverzüglich zugegangen ist, bedeutet dies nicht, dass der vertragliche Anspruch verloren ist. Es gibt noch einige weitere Kniffe, um eine ansonsten möglicherweise wirksame Anfechtung abzuwehren. Damit sich die Unternehmen aber nicht darauf einstellen können, werde ich diese Ansätze hier nicht verraten. Nutzen Sie vielmehr die kostenlose Erstberatung bei Problemen mit Preisirrtümern, um zu erfahren, ob Ihr Fall weitere Ansatzpunkte bietet.

Wirksame Anfechtung – Schadensersatzanspruch?

Liegt ausnahmsweise eine wirksame Anfechtung vor, besteht ein Schadensersatzanspruch des Anfechtungsgegners gegen den Anfechtenden aus § 122 BGB. Dieser Schadensersatzanspruch ersetzt aber nur den Schaden, den der Anfechtungsgegner dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, nicht aber den Betrag des Interesses, das der andere oder ein Dritter an der Gültigkeit der Erklärung hat. Grundsätzlich ist also nur das sog. negative Interesse (beschränkt auf das positive Interesse), zu ersetzen. Was bedeutet das? Wenn Sie auf die Einhaltung des geschlossenen Vertrages vertrauen durften und dafür Aufwendungen getätigt haben (z.B. einen nicht stornierbaren Flug zu einem günstigen Hotel gebucht haben), dann müssen Sie den Flugpreis vom Anfechtenden als Schadesnersatz erstattet erhalten. Der Anspruch ist aber auf den objektiven Wert der Hotelleistung begrenzt. Das positive Interesse, das hier in der Anmietung eines vergleichbaren Hotelzimmers bestünde, wird nicht ersetzt, da das Anfechtungsrecht sonst leer liefe.

Fazit

Preisirrtümer sind nur auf den ersten Blick eine Seifenblase, die schnell zerplatzt. Oft genug sind Verträge wirksam zustande gekommen und nicht wirksam angefochten worden, so dass Ansprüche auf Vertragserfüllung durchgesetzt werden können. In jedem Fall ist ein schnelles Handeln nach Erhalt einer Anfechtung erforderlich, die möglichst erst nach einer kostenlosen Erstberatung erfolgen sollte, um den besten Weg zu gehen.

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