Glauben Sie, dass Reisebüros kostenlos arbeiten? Nein? Dann sind Sie schlauer, als Air France vorgibt, es zu sein. In einem Verfahren vor dem AG Frankfurt ging es um die Frage, ob Air France auch den Teil des Ticketpreises nach Annullierung erstatten muss, den – für den Reisenden unbemerkt – ein Vermittler aufgeschlagen hat. Das AG Frankfurt hat Air France zur Erstattung verurteilt.
Zum Sachverhalt
Konkret ging es hier um Flüge meiner Mandanten mit Air France von Frankfurt aus. Diese wurden annulliert und Air France wurde zur Erstattung aufgefordert. Wie so oft im Jahr 2020, tat sich daraufhin nichts, sodass ich eingeschaltet wurde. Nach Aufforderung dann später Klageerhebung passiert das, was immer passiert: Die Airline knickt ein und zahlt. Einzig ein kleiner Restbetrag blieb offen. Air France gab an, diesen Teil nie erhalten zu haben, sodass es sich um eine Vermittlungsgebühr des Reisebüros handeln muss.
EuGH: Vermittlungsgebühr ist bei Kenntnis der Airline auch von dieser zu erstatten
Der Europäische Gerichtshof hatte so einen Sachverhalt tatsächlich schon einmal zu beurteilen und führte aus:
„Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 261/2004 und insbesondere ihr Art. 8 Abs. 1 Buchst. a dahin auszulegen ist, dass der Preis des Flugscheins, der zur Ermittlung des einem Fluggast vom Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges geschuldeten Erstattungsbetrags heranzuziehen ist, die Differenz zwischen dem vom Fluggast gezahlten und dem vom Luftfahrtunternehmen erhaltenen Betrag in Höhe der Provision eines als Vermittler zwischen ihnen tätig gewordenen Unternehmens einschließt, es sei denn, die Provision wurde ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.“
EuGH Urt. v. 12.09.2018, C-601/17 Harms ./. Vueling Airlines SA Rn. 20
Das bringt aber für viele Fälle keine hinreichende Antwort.
Worauf bezieht sich die Kenntnis?
Geht es nur darum, dass eine Gebühr verlangt wird, oder muss für jede konkrete Buchung der konkrete Aufschlag – ähnliche wie Angaben zum Passagier – an die Airline übermittelt und ihr so bekannt sein?
AG Frankfurt: Kenntnis von konkreter Höhe ist nicht erforderlich
Das AG Frankfurt hat entsprechend der Vorgabe der Fluggastrechte-VO, ein hohes Schutzniveau für Passagiere zu schaffen, richtigerweise darauf abgestellt, dass es nur darauf ankommt, dass Kenntnis bezüglich des ob der Provision ausreichend ist. Diese Kenntnis drängt sich dabei auf, da ein Aufschlag gerade das Geschäftsmodell von Vermittlern, die Air France hier zur Vermarktung ihrer Flüge befugt hat, darstellt. Air France hätte es zudem in der Hand gehabt, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit Vermittlern zu regeln, dass keine Provision aufgeschlagen werden darf.
„Es ist nicht erforderlich, dass die Beklagte Kenntnis von der konkreten Höhe der von dem Vermittlungsunternehmen im vorliegenden Fall berechneten Provision hatte. Im Rahmen eines gerechten Interessenausgleichs muss es vielmehr ausreichen, dass der Beklagten bekannt war, dass überhaupt eine Vermittlungsprovision anfallen würde oder jedenfalls in vielen Fällen anfällt. Es ist daher nicht ausreichend, wenn die Beklagte vorträgt, die Vermittler könnten auch Tickets ohne Provision vermittelt und dies werde auch regelmäßig ausgeübt.
Es würde dem Zweck der Regelung – der Vereinfachung der Erstattung der Flugtickets für den Fluggast – entgegenlaufen, wenn ein Luftfahrtunternehmen sich stets darauf berufen könnte, dass die Geschäftspraxis der Vermittler variiert. Die Erhebung von Provisionen erfolgt unstreitig regelmäßig. Es bleibt dem Luftfahrtunternehmen unbenommen, Vereinbarungen mit dem Vermittler zu treffen, die die Erhebung von Provisionen regelt.“
Fazit
Vermittlungsprovisionen können durchaus saftige Beträge ausmachen, die insbesondere günstige Tickets stark verteuert haben. Die Rechtsprechung ist hierzu noch nicht gefestigt, durch die gut begründete Entscheidung am Fluggastrechte-Standort Nummer 1 in Frankfurt am Main ist aber ein guter Schritt für Passagiere getan. Verbraucher sollten prüfen, ob Airlines ihnen eine vollständige Erstattung gewährt haben. Die Möglichkeit, den Fehlbetrag erfolgreich geltend zu machen, kann zum Beispiel in einer kostenfreien Erstberatung ausgelotet werden.
AG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.07.2021, 31 C 736/21 im Volltext