Flug bei kiwi.com buchen risiken

Warum eine Flugbuchung auf Kiwi.com riskant sein kann – Fluggastrechte

Websites wie kiwi.com haben ein interessantes Feature: Sie finden Flugverbindungen, die für die meisten (Online-)Reisebüros nicht auffindbar wären. Für Reisende – gerade in der aktuellen Pandemiesituation – ist aber ein erhebliches Risiko vorhanden.

Was macht Kiwi.com bei diesen Verbindungen?

Kiwi.com sucht verfügbare Flüge, kombiniert diese aber so zu einer Gesamtreise, dass die beteiligten Airlines mitunter nichts von der Gesamtreise wissen. Anders, als z.B. ein einheitliches Ticket von Bremen nach Frankfurt mit Lufthansa und weiter mit Swiss nach Zürich – als ein einheitlicher Beförderungvertrag – schließt der Reisende auf Kiwi.com mitunter teils mehrere einzelne Beförderungsverträge ab. Ein extremes Beispiel ist nachfolgende Verbindung von Bremen nach Agadir, die bis zu vier einzelne Verträge enthält:

Vorteil durch dieses Vorgehen: Es werden Verbindungen möglich, die es sonst nicht gegeben hätte. Man gelangt von fast jedem Flughafen zu fast jedem Flughafen dieser Welt. Auch bleibt die Suche nach solchen Verbindungen auf eigene Faust erspart. Auch lassen sich so teils erhebliche Ersparnisse realisieren, weil auch viele Billigairlines in den Vergleich mit einbezogen werden.

Nachteil: Totales Chaose droht bei Störungen

Der Nachteil zeigt sich auf den zweiten Blick: Kommt es in der Kette der einzelnen Beförderungen zu Problemen, werden die jeweils beteiligten Airlines häufig nur mit den Schultern zucken, wenn der Reisende Unterstützung verlangt. Sollte im obigen Beispiel Lufthansa den Flughafen Pisa um 90 Minuten verspätet erreichen, dürfte der Anschluss nach Casablanca nicht mehr zu schaffen sein. Gleichzeit wird Lufthansa sich darauf berufen können, dass eine 90-minütige Verspätung keine Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung zur Folge hat. Insbesondere muss Lufthansa nun – anders als bei einer einheitlichen Buchung – jetzt nicht durch Umbuchung dafür sorgen, dass der Passagier nach Casablance oder Agadir gelangt.

Nachteil: Fluggastrechteverordnung kann nicht greifen / Gerichtsstand macht Verfolgung uninteressant.

Kommt es auf der obigen Verbindung auf dem Flug von Casablanca nach Agadir mit Royal Air Maroc zu einer Annullierung, greift die Fluggastrechteverordnung gar nicht, weil sich der Sachverhalt für diesen Beförderungsvertrag vollständig ausserhalb der EU abspielt und auch mit einer Nicht-EU-Airline erfolgt.

Selbst auf dem Flug von Pisa nach Casablanca sieht es düster aus: Kommt es hier zu einer Annullierung, ist zwar die Verordnung anwendbar und gewährt Rechte, diese müssten aber in Casablanca oder Pisa durchgesetzt werden. Die Durchsetzung von Fluggastrechten außerhalb Deutschlands ist – vorsichtig formuliert – überdenkenswert, da in der Regel sehr teuer ohne passagierfreundliche Kostentragungsregelungen („Wer verliert, zahlt die Kosten“), wie in Deutschland.

Und die Kiwi.com-Garantie?

Kiwi.com hat dieses Problem erkannt und wirbt mit der Kiwi.com-Garantie:

Na dann ist doch alles gut, oder? Den Eindruck vermittelt auch eine zusätzlich Infoseite. Wer sich aber die Mühe macht und die Leistungen dieser Garantie (in englischer Sprache) prüft, wird entsetzt sein:

Veränderungen bis zu 48 Stunden vor Abflug

Kommt es zu Veränderungen mehr als 48 Stunden vor Abflug, bietet kiwi.com an, sich um Alternativen zum Endziel zu kümmern. Klingt gut, ist ja das, was auch die Fluggastrechteverordnung ermöglicht. Wäre da nicht ein Problem

„Should We find an alternate of the price not exceeding the price You paid for all the unused Flight(s), We may offer You (an) alternate Flight(s) or other means of transportation to Your Destination at no additional cost to You. We may also offer You the alternate of the price exceeding the price You paid for all the unused Flight(s) when the difference between the price of the offered alternate and the price of unused Flights must be paid by You, if selected. In case We are unable to provide You with the offered alternate Flight(s) or other means of transportation for You online, upon Our confirmation, You may purchase ticket(s) for alternate transportation to Your original final destination, as agreed upon by Us and You, at the airport or other place of transition and, at Our discretion, We may refund You the pre-agreed price of such ticket(s) up to the price You paid for all the unused Flight(s) under the conditions given in Art. 6. hereof.“

Alle beschriebenen Leistungen werden also der Höhe nach auf den ursprünglich gezahlten Flugpreis gedeckelt. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der ursprünglich gezahlte Flugpreis auch noch bis zu 48 Stunden vor Abflug ausreichend ist, kann sich jeder Reisende ausmalen.

Alternativ bietet kiwi.com aber auch eine Erstattung des Flugpreises an, wenn sich der Reisende dazu entscheidet, nicht zu verreisen. Diese Erstattung gibt es aber – anders als nach der Verordnung – nur als kiwi.com-Guthaben.

Veränderungen weniger als 48 Stunden vor Abflug

Wenn auch die Leistungen von kiwi.com hier weiter gehen, sind sie hier ebenfalls beschränkt

„We will search for alternate transportation to Your Destination and should We find a reasonable alternate We may offer You (an) alternate Flight(s) or other means of transportation to Your Destination at no additional cost to You. In case We are unable to buy the offered alternate Flight(s) or other means of transportation for You online, upon Our confirmation, You may purchase ticket(s) for alternate transportation to Your original final Destination, if agreed upon by Us and You, at the airport or train station and, at Our discretion, We may refund You the pre-agreed price of such ticket(s) under the conditions in Art 6. hereof. In case We are unable to find (a) reasonable alternate Flight(s) or other means of transportation due to a disproportionate price difference between the potential alternate transportation and the original price for the unused Flights, We may agree with You on Our proportional contribution to the costs associated with the mutually agreed alternate transportation. This option will be determined and agreed upon on a case-by-case basis.

Einerseits kann kiwi.com hier nach Gutdünken die Ersatzbeförderung auswählen (diese muss nach den AGB Nicht einmal am gleichen Tag stattfinden) und auch hier kann der Reisende auf einem Teil seiner Mehrkosten sitzenbleiben.

Auch die Unterstützungsleistungen, wie Transport zu einem anderen Flughafen, Hotel- und Verpflegungsleistungen hat Kiwi mit aufgenommen. Der Transfer zwischen Flughäfen wird für alle Reisende einer Buchung bis zu 100,00 € übernommen (damit kommen nicht einmal zwei Personen von Frankfurt nach Köln), Verpflegungskosten ab 4 Stunden werden in Höhe von maximal 10,00 € pro Passagier gewährt.

Fazit: Besser als nichts, aber besser gar nicht erst nutzen

kiwi.com ermöglicht etwas, was ich an fast keiner anderen Stelle im Internet finde, das macht es durchaus spannend. Auch puffert die Garantie einige Nachteile ab, die sich aus der Getrenntbuchung ergeben, die ich bei Buchung auf eigene Faust nicht nutzen könnte. Die verbleibenden Nachteile und Beschränkungen der kiwi.com-Garantie sind aber meiner Meinung nach so drastisch, dass ich persönlich gerade bei komplizierten Verbindungen, bei wenig Reiseerfahrung und bei einem knappen Zeitplan gerade in der aktuellen Phase vielfältiger Flugplanänderungen davon abraten würde, eine solche Flugbuchung vorzunehmen.

2 Kommentare zu „Warum eine Flugbuchung auf Kiwi.com riskant sein kann – Fluggastrechte“

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