Ich habe für meine Mandanten heute eine Klage vor dem Landgericht Düsseldorf auf Erstattung der Kosten der Ersatzbeförderung mit einem Charterflugzeug erhoben.
Überbuchungen von Flügen sind für Reisende ein Ärgernis. Geschäftspartner werden verärgert, Prüfungen verpasst oder einfach nur der Urlaub wird verkürzt. Airlines nehmen sich seit Jahren das Recht heraus, ihren Passagieren mehr Tickets zu verkaufen, als Sitzplätze an Bord vorhanden sind. In der Regel greifen die Unternehmen dabei auf vergangene Erfahrungswerte zur No-show-Quote zurück und liegen in vielen Fällen damit gut. Flüge sind damit gut ausgelastet und Ticketpreise für alle Passagiere könnten dadurch sinken.
Das System kann aber denknotwendig nicht verhindern, dass es in Einzelfällen doch dazu kommt, dass Passagiere nicht befördert werden können. Gerade jetzt in der Phase nach den harten Einschränkungen des Reisens durch die Ausbreitung von Covid 19 zeigt sich in vielen Fällen ein höchst schwer kalkulierbares Verhalten der Reisenden (dazu habe ich kürzlich auch mit Journalisten von ARD Plusminus gesprochen). Zusammen mit den Annullierungen vieler Flüge (vermutlich) wegen mangelnder Nachfrage kommt es derzeit vermehrt zur Beförderungsverweigerung durch Airlines.
Rechte des Passagiers
Ein nicht beförderter Passagier hat zunächst aus der EU-Fluggastrechteverordnung Anspruch auf eine Beförderung mit einem späteren Flug, dies ggf. auch mit einer anderen Airline. In der Wartezeit muss der Passagier angemessen mit Speisen und Getränken versorgt werden, auch ist ggf. ein Hotelzimmer zu stellen. Dazu kommt ein Anspruch auf Annullierungsentschädigung aus Art. 5 Abs., 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung in Höhe von 125,00 – 600,00 €.
Das war’s?
Die Fluggastrechteverordnung verdrängt aber keinesfalls nationales Zivilrecht, sie soll nur die Geltendmachung von Rechten erleichtern und Betroffenen die Last nehmen, zum Beispiel zur Höhe eines Schadens durch die Annullierung detailliert vortragen zu müssen. Wer schuldhaft eine vertragliche Pflicht verletzt, ist dem Vertragspartner nach den §§ 280 ff. zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. An der Stelle kann es brenzlig werden für Airlines.
Passagier mit Stand-by-Ticket nicht befördert
Zwei meiner Mandanten waren auf einem Flug von Düsseldorf nach Palma de Mallorca gebucht, da sie vor Ort am Folgetag einen wichtigen Termin auf der Insel wahrzunehmen hatten. Pünktlich am Checkin erschienen, wies man sie auf die Überbuchung hin und übergab lediglich einen Standby-Boardingpass. Der Hinweis auf den wichtigen Termin auf der Insel wurde nicht weiter beachtet, auch wollte man keine Umbuchung auf einen kurz nach dem gebuchten Flug abfliegenden Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft vornehmen. Die Passagiere warteten nervös am Gate und konnten die weiteren Abläufe gut beobachten. Noch weitere Passagiere warteten auf einen Sitzplatz. Meine Mandanten bemerkten insbesondere keine Versuche der Airline, z.B. durch Durchsagen Freiwillige zu finden (wie es die Fluggastrechteverordnung vorsieht). Sicher hätte sich ein Urlauberpaar gefunden, was für je 250,00 € Entschädigung, Kost und Logis erst am Folgetag in die Sonne gestartet wäre. Als das Boarding beendet war, wurde meinen Mandanten nur ein einziger Platz angeboten. Da dies aber erkennbar nicht für den wahrzunehmenden Termin ausreichte, forderten diese eine Umbuchung, was die Mitarbeiter der Airline verweigerten. Der Alternativflug hatte Düsseldorf zu dem Zeitpunkt bereits verlassen und es bestand keine Möglichkeit mehr, mit einem Linienflug Palma de Mallorca zeitgerecht zu erreichen.
Ab in den Jet
Meine Mandanten holten dann Erkundigungen ein, wie noch eine Anreise nach Palma de Mallorca möglich wäre, letztlich wurden sie in einer Chartermaschine nach Mallorca befördert, dies zu Kosten von 21.500,00 €.
Außergerichtlich lehnte die Airline eine Erstattung dieser Kosten ab, sodass nunmehr eine Klage erhoben wurde.
Pacta sunt servanda
Der ausgelatschte juristische Grundsatz, wonach Verträge einzuhalten sind, greift hier voll durch. An einem schuldhaften und pflichtwidrigen Verhalten der Airline bestehen hier keine Zweifel.
- Der Flug wurde überbucht.
- Trotz des Hinweises auf den immens wichtigen Termin auf Mallorca wurde keine rechtzeitige Umbuchung auf einen anderen Linienflug in Erwägung gezogen
- Es waren keine Anstrengungen erkennbar, Freiwillige für einen Verzicht auf die Beförderung zu finden.
Dass die Kosten des gebuchten Ersatzfluges immens sind, ist aus meiner Sicht unbeachtlich. Die Airline hatte gleich mehrere Gelegenheiten trotz Hinweis auf den dringenden Termin ungenutzt gelassen, dass es überhaupt nicht erst zu einem Schaden kommt. Die Passagiere haben sofort mit ihrem Reisebüro Kontakt aufgenommen, was dann die Möglichkeiten einer rechtzeitigen Ersatzbeförderung eruiert hat und zu dem Schluss kam, dass die Alternativen Linienverbindungen kein rechtzeitiges Eintreffen auf Mallorca ermöglichen würden.
Soll das jetzt jeder Passagier tun?
Die Airline ist hier an die falschen Passagiere geraten: Sie hatten einen wichtigen Termin und die finanzielle Möglichkeit, den Ersatzflug auch vorzustrecken. Der durchschnittliche Passagier wird in der Regel eine solche Pflichtverletzung schlicht hinnehmen und sich mit einer Annullierungsentschädigung abfinden. Ich sehe keinen Grund, warum sich Passagiere mit einer Pflichtverletzung einfach so abfinden sollten. Airlines haben die Fäden in der Hand, indem entweder Überbuchungen nicht mehr erfolgen, oder ein gewisser Teil der Tickets (= Anzahl der überbuchten Passagiere auf einem konkreten Flug) lediglich als Stand-by-Ticket verkauft wird. So wird die Auslastung optimiert, zugleich aber kein Vertrag verletzt.
Ein Anekdötchen am Ende: In einem Berufungsverfahren vor dem LG Düsseldorf, in dem es um die Kosten der Eratzbeförderung mit einer anderen Airline ging, hat das Gericht den Begriff „Learjet“ schon einmal in den Mund genommen. Challenge accepted, hier bin ich, die Klage wurde heute erhoben.