LG Frankfurt entgangene Urlaubsfreuden Kleinkinder Aldiana Side

LG Frankfurt a. M.: Entgangene Urlaubsfreuden auch für Kleinkinder, § 651n Abs. 2 BGB (Club Aldiana Side)

Das Landgericht Frankfurt hat in einem aktuellen Fall eine Abkehr von seiner bisherigen Linie zu entgangenen Urlaubsfreuden von Kleinkindern angekündigt.

Der Sachverhalt: Aldiana verzögert Fertigstellung des Clubs in Side, Türkei

Meine Mandanten haben den nagelneuen Club Aldiana in Side in der Türkei gebucht. Die Eröffnung war für Juni 2023 geplant. Doch als ein Erdbeben die Türkei erschütterte, stellte Aldiana die Mitarbeiter auf der Baustelle frei und ließ sich dafür als besonders zuvorkommend feiern. Betroffenen Kunden wurden Alternativen angeboten, teilweise nur auf Nachfrage, dann teils aber auch mit damit verbundenen Zuzahlungen, so auch meinen Mandanten.

Erstattung des Reisepreises + Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude

Meine Mandanten erhielten – verspätet – den bereits gezahlten Reisepreis zurück. Eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude lehnte Aldiana jedoch ab. Dieser Anspruch besteht bei schuldhafter Vereitelung des Urlaubs gemäß § 651n Abs. 2 BGB, wobei die Rechtsprechung Werte von 50-70%, teilweise sogar 100% des Reisepreises als Entschädigungsbetrag annimmt, der zusätzlich zur Rückerstattung des Reisepreises zu zahlen ist. Da Aldiana im Verfahren bislang nicht substantiiert darlegen konnte, dass sie kein Verschulden trifft, weil sie freiwillig Arbeiter von der Baustelle abgezogen und sich nicht um Alternativen bemüht haben, stand eine weitere Frage im Mittelpunkt des Rechtsstreits: Erhalten auch die mitreisenden Kleinkinder eine solche Entschädigung?

LG Frankfurt a. M. erwägt Rechtsprechungsänderung

Das LG Frankfurt a. M. ging bislang davon aus, dass bei sehr kleinen Kindern (z. B. im Alter von zwei Jahren) ein Urlaubsgefühl fehle und daher keine Entschädigung geschuldet sei (vgl. LG Frankfurt a. M. Urteil vom 05.12.2019, 2-24 S 50/19). Diese Rechtsprechung hat das Gericht nun in dem von mir betreuten Verfahren aufzugeben erwogen. Hierfür sind zwei Ansatzpunkte denkbar:

Zum einen könnte man schon für Kleinkinder ein eigenes Urlaubsempfinden bejahen, da z.B. die elterliche Zuwendung auf einer Urlaubsreise ganz anders ist als in den eigenen vier Wänden.

Ein zweiter Ansatz wurde von mir ins Spiel gebracht: Warum werden Kleinkinder nicht als Gepäckstücke der Eltern (lediglich mit Augen, Händen und Füßen) betrachtet? Dazu muss man sich die Entwicklung dieses Anspruchs nach entgangenen Urlaubsfreuden vor Augen halten. Während die Gerichte früher bei der Frage der Höhe der Entschädigung auf das Einkommen des Reisenden abgestellt haben (Argument: Die Zeit des Gutverdieners ist mehr wert), ist es seit vielen Jahren anerkannt, schlicht auf den Reisepreis abzustellen. Wenn dem Reisenden die Reise mehr Geld wert ist, ist ihm die damit verbundene Urlaubsfreude einfach mehr wert. Ob aber jemand für sein Surfbrett 500,00 € Sportgepäckzuschlag zahlt, um damit auf den Wellen von Maui zu surfen, oder den gleichen Betrag für die Mitnahme seines Kindes bezahlt, kann keinen Unterschied machen. Im Klartext: Der Aufpreis war es dem Reisenden offensichtlich wert.

Lediglich bei der Durchsetzung des Anspruchs gäbe es etwas zu bedenken: Folgt man dem ersten Ansatz, wäre das Kind selbst Inhaber des Anspruchs. Der von mir vorgeschlagene zweite Ansatz führt dazu, dass der für das Kind gezahlte Reisepreis den Eltern bei der Berechnung der Entschädigung „zuwächst“, diese also Inhaber des Anspruchs wären.

Kein Urteil

Die Parteien einigten sich in der mündlichen Verhandlung zum Verfahren 2-24 O 89/23 auf eine Entschädigung für alle Reisenden. Dieser Vergleich wurde von Aldiana auch nicht widerrufen, da Aldiana sicherlich kein Interesse daran hat, dass diese neue Vorgehensweise, die viele Reisende betreffen dürfte, als Urteil des Amtsgerichts die Runde macht.

Fazit

Aldiana-Urlauber, die von der verspäteten Eröffnung des Clubs in Side überrascht wurden, sollten ihre Ansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude geltend machen. Auch für Kleinkinder dürfte eine Entschädigung in Höhe des gezahlten Reisepreises zu zahlen sein.

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