Ich hatte einen recht ungewöhnlichen Fall für meine Mandanten zu betreuen. (Auch) bei der Lufthansa hielt man es nicht für erforderlich, sich auf die Einführung des 5G-Mobilfunkstandards im Januar 2022 in den USA vorzubereiten. Hals über Kopf wurden Verbindungen mit der 747-8 gestrichen, die unter anderem über eine First Class Kabine verfügt. Den von mir vertretenen First Class Passagieren wurde angeboten, entweder geringfügig später auf einem anderen Flug in der Business Class oder am Folgetag in der First Class der Swiss zu fliegen. Meine Mandanten haben sich für das (deutlich besser) Produkt der Swiss entschieden und verlangten im Nachgang die Ausgleichsleistung von 600,00 € pro Passagier für die mehr als nur vier Stunden spätere Ankunft und die Erstattung der Hotelkosten.
AG Köln und LG Köln: Business oder First Class ist doch egal
Die teils schon in social media als schwierig bezeichnete Klippe, über den Einwand der Lufthansa außergewöhnlicher Umstände hinwegzukommen, haben meine Mandanten gemeistert. Dem Grunde nach besteht der Ausgleichsanspruch. Was sich dann am AG Köln abspielte, hat mich überrascht: Zu dem Recht des Passagiers auf anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt soll es nach Ansicht des AG Köln auch gehören, wenn diese nur in der Business statt in der First Class erfolgt. Kurz: Meine Mandanten hätten ja früher ihr Ziel unter vergleichbaren Bedingungen erreichen können und sich selbst dazu entschieden, erst am Folgetag in der First Class zu fliegen. Damit sei nur die um 50 % gem. Art. 7 Abs. 2 der FluggastrechteVO gekürzte Entschädigung zu zahlen. Auch sei die Hotelübernachtung aus diesem Grund nicht erstattungsfähig.
Blankes Entsetzen machte sich in mir breit, als im Berufungsverfahren das Landgericht Köln die identische Ansicht vertrat und darauf verwies, dass mit der Herabstufungsentschädigung für das Downgrade von 75% ja bereits sämtliche Unannehmlichkeiten ausgeglichen seien.
Eine Beförderung für vergleichbar zu halten, wenn sie – zu vollkommen willkürlich gewählten Daten – fast nur ein Drittel des eigentlich gebuchten Fluges kostet, ist – vorsichtig formuliert – gewagt.
Und nein, natürlich wird nicht nur der Preis bei der Frage nach der Vergleichbarkeit beachtet. Bei einem im Übrigen aber identischen Flug (Anzahl der Teilstrecken, Umstiegsdauer, visapflichtige Zwischenstops, Tageszeit der Flugdurchführung) indiziert der krasse reiseklassenabhängige Preisunterschied schon: Hier wird deutlich (!) mehr geboten.
LG lässt Revision zu
Das Landgericht hat sich aber meine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung offenbar zu Herzen genommen, mit denen ich Schaden von meinen Mandanten abwenden wollte. So hätte das Landgericht entweder gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV den EuGH befragen oder die Revision zum Bundesgerichtshof zulassen müssen. Das Landgericht Köln hat sich für die Zulassung der Revision entschieden.
Lufthansa zeigt nun auch Einsicht
An dieser Stelle dürfte es den Kollegen, die Lufthansa vertreten, zu heiß geworden sein: Wir waren uns vermutlich einig, dass die Vorinstanzen schlicht falsch entschieden haben. Lufthansa zahlte nach Einlegung der Revision binnen kürzester Zeit den offenen Betrag und so musste der Bundesgerichtshof nun nur noch über die Kosten des Rechtsstreits entscheiden, die Lufthansa für die nun inzwischen drei gerichtlichen Instanzen vollständig anerkannt hat.
Fazit
Immer wieder ziehen mir Airlines den Teppich unter den Füßen weg, wenn höherinstanzliche Klärungen wichtiger Rechtsfragen drohen, um genau dies zu vermeiden, wie erst vor wenigen Tagen wieder in einem Verfahren vor dem EuGH. Man hätte sich dort vermutlich noch über Jahre auf die andernfalls rechtskräftige Entscheidung des LG Köln berufen, um Ansprüche abzuwehren. Ich behalte die Entscheidung übrigens auch im Hinterkopf und werde sie aus dem Giftschrank vielleicht noch einmal hervorholen, denn die Frage kann sich auch mit anderen Vorzeichen stellen: Müsste nicht eine (durch den Passagier selbst gebuchte) Ersatzbeförderung in der First statt wie ursprünglich in der Business Class auch geschuldet sein, kann der das selbst buchende Passagier die in der Regel krassen Mehrkosten erstattet verlangen?
Nicht rechtskräftig gewordenes Urteil des LG Köln v. 28.02.2024, 11 S 258/22 hier im Volltext