Update 15. Juni 2020: Es wurde kein Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt, diese ist damit rechtskräftig.
In einem aktuellen Fall vor dem AG Düsseldorf ist am 12. Mai 2020 ein Versäumnisurteil gegen ein Luftfahrtunternehmen ergangen, nachdem die Prozessbevollmächtigte im Termin nach Ausführungen des Gerichs keinen Antrag gestellt hat (AG Düsseldorf, Versäumnisurt. v. 12.05.2020, 45 C 627/19). Dieses stellt klar: Eine „grundlose“ Flugannullierung muss ein Passagier nicht dulden, er hat vielmehr einen Anspruch auf Beförderung zum gebuchten Zeitpunkt auf der gebuchten Strecke.
Was war passiert?
Der Passagier verfügte über eine Flugbuchung am 1. Weihnachtsfeiertag von Karlsruhe nach Berlin um 21:15 Uhr. Knapp vier Monate (!) vor Abflug informierte das Luftfahrtunternehmen den Kläger, dass der Flug annulliert wurde und buchte ihn auf einen deutlich früheren Flug ab Stuttgart um. Die geplante Familienfeier war somit nicht mehr zu schaffen, hinzu kommt der Aufwand zur Anreise nach Stuttgart.
Der Passagier forderte das Luftfahrtunternehmen zunächst selbst, hiernach anwaltlich zur Erfüllung des geschlossenen Vertrages auf. Als dies erfolglos bliebt, habe ich am 20. September 2019 Klage erhoben, dies mit einem äußerst simplen Antrag:
Rund einen Monat vor dem Reisetermin beantragten die Anwälte des Luftfahrtunternehmens eine Fristverlängerung bis zum 19. Dezember, also sechs Tage vor Abflug.
In der Klageerwiderung berief sich die Beklagte auf Unmöglichkeit (§ 275 BGB), da der Flug annulliert wurde.
Im Termin vom 12. Mai war natürlich keine Klage auf Erfüllung mehr möglich, weswegen nach einer sogenannten Erledigungserklärung in Bezug auf den Antrag nur die Frage im Raum stand, ob die Klage anfangs zulässig und begründet war, kurz: Hätte der Kläger Recht gehabt?
Der rechtliche Hintergrund
In rechtlicher Hinsicht ist der Fall äußerst Simpel: Das Luftfahrtunternehmen ist einen bindenden Vertrag eingegangen, der auch zu erfüllen ist („pacta sunt servanda“).
Die Berufung auf Unmöglichkeit gem. § 275 BGB setzt voraus, dass die Leistung weder für das Beklagte Luftfahrtunternehmen, noch für irgendeine andere Person erfüllbar gewesen wäre. Dieser Einwand greift erkennbar nicht: Selbstverständlich ist es irgendjemandem, aber vermutlich sogar dem beklagten Unternehmen möglich, den Passagier am ersten Weihnachtsfeiertag um 21:15 Uhr auf dem Luftweg nach Berlin zu befördern, und sei es durch Chartern eines Piloten samt Flugzeuges, welches über die Berechtigung zur Durchführung des Fluges verfügt. So sah es auch das Gericht in der mündlichen Verhandlung.
Daher ist ein antragsgemäßes Versäumnisurteil zu Lasten des Luftfahrtunternehmens ergangen.
Insbesondere hatte es das Unternehmen versäumt, weitere Gründe vorzutragen, aus denen sich vielleicht tatsächlich eine Unmöglichkeit ergibt. Diese Möglichkeit besteht nun, sollte das Luftfahrtunternehmen mit einem Einspruch gegen die Entscheidung vorgehen. solche Gründe kann ich mir aber bei einer Annullierung rund vier Monate (!) vor Abflug nicht vorstellen.
Fazit
Klare Rechtslage: Wer Verträge schließt, muss sie einhalten. In vielen Fällen sorgen Gerichte auch durch eine schnelle Terminierung dafür, dass noch rechtzeitig vor Abflug ein Urteil ergeht. Nur wenn das nicht funktioniert, ist es für betroffene Passagiere immer noch möglich, eine Umbuchung auf einen anderen Flug oder die Erstattung von Ersatzflugkosten zu verlangen. Ein Wildwest-Sonderrecht für Airlines, Verträge nach Belieben aufzulösen, gibt es nicht.