Update: 30. April 2020
In einem weiteren Verfahren in gleicher Sache vor dem LG Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 22 O 147/19 hat das gleiche Luftfahrtunternehmen ein Anerkenntnis erklärt.
In einer aktuellen Entscheidung des Landgericht Düsseldorf ging es um einen geschuldeten Ersatzflug, nachdem Eurowings einen Flug storniert hatte.
Den Passagieren, einer Familie mit zwei kleinen Kindern (4 und 7) wurde die Direktverbindung Hamburg-Stuttgart um 11:00 Uhr annulliert, stattdessen eine sehr frühe oder sehr späte Verbindung mit Ankunft am Abend in Stuttgart auf eigenen Flügen der Eurowings angeboten.
Ersatzverbindungen unpassend
Die angebotenen Ersatzflüge ließen sich mit einer reibungslosen Abreise vom Urlaubsort und einer entspannten Ankunft zu Hause nicht vereinbaren. Dies hätte entweder eine Abreise vom Urlaubsort am Vortag oder eine – für die kleinen Kinder unangenehm – späte Ankunft in Stuttgart bedeutet.
Die Passagiere recherchierten verschiedene Ersatzverbindungen. Statt wie ursprünglich geplant um 11:00 Uhr abzufliegen und Stuttgart um 12:15 Uhr zu erreichen, war eine Lufthansa-Verbindung über Frankfurt mit Landung in Stuttgart um 13:35 Uhr – zu erheblichen Mehrkosten – verfügbar. Die Beklagte lehnte eine Umbuchung auf diese Verbindung ab.
AG Düsseldorf: Ersatzverbindung ist zumutbar. Klage abgewiesen
Das Amtsgericht Düsseldorf hat die Klage auf Bereitstellung der Ersatzflüge mit Lufthansa über Frankfurt abgewiesen. Zwar seien die Verbindungen am frühen Vormittag nicht zumutbar, anders sei es jedoch mit einem Flug um 17:35 Uhr. Das Gericht unterbreitet dabei touristische Tipps:
„Sicherlich ist nicht zu verkennen, dass sich hierdurch die Rückreisezeit deutlich verlängert, was für die Kläger zu 3. und 4. strapaziös werden könnte. Allerdings ist zu sehen, dass die Kläger diesen Tag zur Hälfte als weiteren Urlaubstag nutzen könnten. Sie könnten länger auf Sylt bleiben oder einen Stadtbummel in Hamburg vornehmen und Sehenswürdigkeiten besichtigen. Beide Varianten können auch für die Kläger zu 3. und zu 4. kurzweilig gestaltet werden.“
(AG Düsseldorf, Urt. v. 04.07.2019, 51 C 313/19).
An dieser Art der Freizeitgestaltung hatten die Passagiere, die extra für einen Mehrpreis einen Flug gegenüber einer Beförderung per Bahn gebucht haben, jedoch kein Interesse.
Eil-Berufung
Nein, diesen Begriff gibt es nicht, aber es beschreibt das Vorgehen hiernach recht gut:
Noch am Tag der Urteilsverkündung habe ich für die Passagiere gegen die Entscheidung Berufung zum Landgericht Düsseldorf eingelegt und diese zugleich begründet. Das Gericht hat dabei äußerst schnell einen Termin angesetzt und wiederum sehr schnell eine Entscheidung verkündet, am 4. September 2019 und damit drei Tage vor dem geplanten Flug.
Das Gericht befasst sich hierbei eingehend mit der Frage,wie eine Ersatzbeförderung erfolgen muss, die im Falle einer Flugannullierung nach Art. 8 Abs. 1 lit. b und c der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG von der Fluggesellschaft zu leisten ist.
Artikel 8
Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
[…]
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Beförderung auf „Fremdmetall“ geschuldet?
Für Fluggesellschaften ist es von enormer Bedeutung, ob Passagiere schlicht auf den nächstmöglichen eigenen Flug umgelagert werden, was – mit genügen zeitlichem Vorlauf – entschädigungslos und ohne Kostenaufwand erfolgt, oder ob auf Sitzplätze bei anderen Beförderern zurückgegriffen werden muss.
Der Wortlaut von lit. b im Vergleich zu lit. c („vorbehaltlich verfügbarer Plätze“) wird dabei überwiegend so verstanden, dass die nächstmögliche Verbindung (lit. b) auch auf „Fremdmetall“ erfolgen muss, eine spätere Verbindung zum Wunschtermin aber nur auf eigenen Flügen angeboten werden muss.
Diese Lesart führt zu massiven Kostenbelastungen der annullierenden Airlines, entspricht aber auch der Lesart des LG Düsseldorf. Dieses führt aus:
„Die Pflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmens dafür zu sorgen, dass der Fluggast mit so geringer Verspätung wie möglich sein Endziel erreicht, umfasst nach dem Dafürhalten der Kammer auch die Inanspruchnahme fremder Fluggesellschaften. Dies folgt bereits aus dem Luftbeförderungsvertrag, der die Beklagte zur Herstellung eines bestimmten Erfolges, nämlich der Beförderung der Kläger von Hamburg nach Stuttgart zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet, und zwar nicht nur mit dem von ihr für diesen Flug vorgesehenen Fluggerät, sondern mit irgendeinem Flugzeug. […] Eine Beschränkung auf eigene Flugdienste lässt sich schließlich auch nicht mit dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. b) Fluggastrechte-VO in Einklang bringen, welcher gerade keine solche Beschränkung vorsieht. Ein solch einschränkendes Verständnis wäre nach Auffassung der Kammer mit dem Zweck der Verordnung, ein hohe Schutzniveau der Fluggäste zu erreichen (Erwägungsgrund Nr. 1 der VO) und Ärgernisse und Unannehmlichkeiten für Fluggäste zu verringern (Erwägungsgrund Nr. 12 der VO), nicht vereinbar.“
Hohe Praxisrelevanz
Das Landgericht Düsseldorf ist das Berufungsgericht, dass für Entscheidungen des AG Düsseldorf zuständig ist. Dieses kann bei Klagen gegen Fluggesellschaften mit Sitz in Düsseldorf, aber auch für Flüge von und nach Düsseldorf angerufen werden. Die Relevanz dieser Entscheidung ist damit deutlich.
Wenn auch die Entscheidung keine rechtsverbindliche Wirkung für andere Verfahren aufweist, ist die Richtschnur klar und gibt Passagieren mehr Rechtssicherheit.
Richtiges Vorgehen
Sind Passagiere von einer Annullierung im Anwendungsbereich der Verordnung 261/2004/EG betroffen, sollten diese Ihre Fluggesellschaft nachweisbar unter Fristsetzung zur Stellung einer Ersatzbeförderung auffordern. Dabei ist nach der Entscheidung des LG Düsseldorf der nächstmögliche Flug, gerechnet ab der ursprünglichen Abflugzeit, geschuldet. Verweigert die Fluggesellschaft eine solche Verbindung, kann der Passagier auf eigene Faust die Ersatzverbindung buchen und die Kosten von der Fluggesellschaft ersetzt verlangen.
Achtung Falle: Wer die Erstattung des Flugpreises verlangt, kann möglicherweise den Anspruch auf eine Ersatzbeförderung verlieren. Diese Taktik habe ich insbesondere bei Low-Cost-Airlines beobachtet.
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2019, 22 S 244/19 im Volltext