Dieser Beitrag ist ein Vorschlag gegen meinen Job, gegen die Durchsetzung von bestehenden Rechten, weil die Marktgegebenheiten dies als sinnvoll erscheinen lassen.
Tausende Verbraucher erhalten derzeit per Post schlechte Nachrichten: Entweder der Stromversorger oder der Netzbetreiber teilen mit, dass die Belieferung eingestellt wurde. Was dahintersteckt und wie (wenig sinnvoll) die rechtlichen Möglichkeiten jetzt sind.
Preiserhöhung überforderte Versorger
Auslöser der aktuellen Situation ist die krasse Entwicklung an Gas- und Strommärkten. Preise haben sich in den letzten fünf Monaten teils verhundertfacht, soweit Versorger nicht mit viel Weitsicht schon langfristig Energie eingekauft haben. Gerade kleine Stromanbieter, wie oft nicht mehr sind, als ein Marketing- und Abrechnungsunternehmen mit wenigen Mitarbeitern, geraten hier ohne ausreichende Liquidität im Hintergrund schnell ins Trudeln.
Versorgungseinstellung oder Insolvenz
Für Sie heißt es nun: Entweder weiter Energiekunden zu krass unwirtschaftlichen Konditionen beliefern und damit eine Insolvenz riskieren, oder schlicht unter Verletzung bestehender Lieferverträge die Versorgung einstellen. Den ersten Weg gehen bereits einige Anbieter: Stand 27. Dezember sind bereits Anbieter wie Fulminant Energie, Dreischtrom GmbH, Otima Energie, Smiling Green Energy und Lition Energie in die Insolvenz gegangen.
Immer mehr Versorger stellen aber schlicht die Versorgung ein.
Folge: Licht brennt weiter, die Wohnung bleibt warm
Verbraucher müssen aber nicht befürchten, jetzt gerade im Winter in der dunklen und kalten Wohnung zu sitzen. Durch Werkzeuge wie Ersatz- und Grundversorgung ist die Belieferung sichergestellt. Nachteilig ist, dass die Konditionen einer solchen Belieferung wenig attraktiv sind: Da sich Ersatz- und Grundversorger Kunden nicht aussuchen, diese z.B. auch nicht auf Bonität prüfen können, sind erhebliche Risikoaufschläge zu zahlen, die bei 20-50% zu sonst üblichen günstigen Anbietern liegen.
Rechte als Verbraucher: Insolvenz
Im Falle einer Insolvenz sind die Rechte des Verbrauchers eher theoretischer Natur. Hier sollte schnellstmöglich ein neuer günstiger Anbieter gesucht werden. Etwaige Abschlagszahlungen sind, soweit zurückzuerstatten, im Insolvenzverfahren anzumelden, darauf erfolgt maximal eine quotale Zahlung, die erfahrungsgemäß extrem gering (meist unter 3%) ausfallen wird.
Rechte als Verbraucher: Einstellung der Versorgung
Stellt ein Versorger vertragswidrig die Versorgung ein, gibt es für den Verbraucher einen Anspruch auf Wiederbelieferung und / oder Ersatz seines entstandenen Schadens, wenn z.B. der neue Versorger Energie nur teurer liefert. Gerade in der aktuellen Zeit sind Neukundenpreise von 34-40 ct / kWh im Strommarkt keine Seltenheit, zahlten Verbraucher bei Bestandsverträgen oft nur 23-29 ct / kWh.
Einem nackten Mann in die Tasche greifen?
Soweit sind sich alle Experten einig. Was aber teils nicht deutlich genug gesagt wird: Ein Vorgehen gegen den bisherigen Versorger sollte gut überlegt sein.: Die Versorgungseinstellung erfolgt meist nicht aus Spaß. Sie ist für Unternehmen oft die letzte Möglichkeit, um eine Insolvenz zumindest zu verzögern, um so z.B. Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten und Arbeitnehmern auszugleichen.
Werden nun in größerer Zahl Schadensersatzansprüche gegen solche Versorger geltend gemacht, droht mit Verzögerung das einzutreten, was sonst ohnehin geschehen wäre: Die Insolvenz des Versorgers. Das Kostenrisiko ist zwar überschaubar (so betragen Gerichtskosten bei einem Streitwert bis 500,00 € lediglich 114,00 €), dieses Risiko sollte aber unbedingt berücksichtigt werden. Zudem gibt es im Rahmen der Insolvenz auch eine Rückwirkung auf Zahlungen, die vor Antragstellung erfolgten, sodass selbst Verbraucher, die erfolgreich vorgegangen sind, nicht sicher sein können, die Zahlung auch behalten zu können.
Fazit
Für einzelne Verbraucher ist es schwierig, bestehende Rechte als Verbraucher durchzusetzen. Glücklicherweise setzen sich teils Verbände wie die Verbraucherzentrale NRW erfolgreich für Rechte von Verbrauchern gegenüber Energieversorgern ein, wie jüngst gegen immergrün.
Ich persönlich würde, wäre ich hiervon betroffen, schnellstmöglich den Versorger wechseln und die weitere Entwicklung am Markt abwarten. Überlebt mein bisheriger Versorger noch die kommenden neun bis zwölf Monate, wäre das ein Zeichen für mich, meine Mehrkosten dort ersetzt zu verlangen und den Anspruch durchzusetzen.
Bei der Wahl eines neuen Versorgers sollte aus meiner Sicht nicht zwingend das günstigste Angebot gewählt werden, da kleine „Energieverschieber“ nur geringe Polster haben und eher wieder in Schwierigkeiten bei steigenden Energiepreisen geraten. Tatsächlich ist das die Blütezeit regionaler Versorger. Diese waren aufgrund ihrer hohen Preise oft als Apotheke verschrien. Ihre Trägheit zahlt sich nun aber mit teils exzellenten Angeboten aus. Auch bei größeren Anbietern sollten Abschläge auf die zu erwartenden Kosten der Belieferung mit ggf. geringem Aufschlag begrenzt sein. Produkte mit Boni beinhalten das Risiko, dass diese bei Abschlägen nicht berücksichtig werden, dadurch steigt das Insolvenzrisiko, das der Verbraucher trägt.