Flug verfallen noshow couponreihenfolge

Hinflug nicht genutzt – was passiert mit dem gebuchten Rückflug?

Update vom 29. Juni 2023: Urteil des BGH vom 25. April 2023 mit verarbeitet.

Die Buchung von Hin- und Rückflug ist recht üblich und meist auch mit Preisvorteilen gegenüber einer einzelnen Buchung verbunden. Was geschieht aber, wenn Passagiere den Hinflug – aus welchen Gründen auch immer – nicht antreten? Das Stichwort ist hier die sogenannte Couponreihenfolge. Dieses Problem erkläre ich auf Basis der deutschen Rechtslage.

Ticket darf nicht verfallen

Klar ist: Das Ticket darf nicht schlicht „verfallen“. Diese bei Airlines teils bis heute übliche Praxis, die sich in AGB noch immer einiger Luftfahrtunternehmen findet, ist gegenüber Verbrauchern auf Basis deutschen Rechts unzulässig, wie der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2010 feststellte (BGH Urt. v. 29.04.2010, Xa ZR 5/09). Durch eine solche Regelung würde das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in unangemessen benachteiligender Weise verändert.

BGH: Tarifsysteme von Airlines sind grundsätzlich schutzwürdig

Der Bundesgerichtshof hat jedoch auch festgestellt, dass Tarifsysteme von Airlines schutzbedürftig seien. So bestünde ein berechtigtes Interesse im Wettbewerb, z.B. Umsteigeverbindungen aufgrund des geringeren Komforts günstiger zu verkaufen, als Direktflüge, Verbindungen mit einem Wochenende oder einer gewissen Mindestaufenthaltsdauer, die selten von geschäftlich reisenden Passagieren genutzt werden, sind auch meist preiswerter.

Nachberechnung als Lösung?

Das Gericht hat Airlines damals einige Orientierungspunkte mit an die Hand gegeben, wie dieser Ausgleich geschafft werden könnte und insbesondere vorgesehen. Danach soll eine Regelung wirksam sein, die es dem Passagier ermöglicht, gegen Zuzahlung sein Ticket zu „reaktivieren“, wobei die Zuzahlung dann die Differenz zu dem Preis ausgleichen würde, der von vornherein für den nun nur noch zu nutzenden Teil des Tickets gelten würde.

„Für die Wahrung der Interessen der Beklagten an einer autonomen Gestaltung ihrer Tarifstruktur genügte zur Vermeidung einer Umgehung dieser Struktur eine Regelung, die den Kunden gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgelts verpflichtet, wenn die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht angetreten wird. Dazu wäre es etwa ausreichend, wenn in den Beförderungsbedingungen bestimmt würde, dass bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibende(n) Teilleistung(en) dasjenige Entgelt zu zahlen ist, das zum Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung(en) verlangt worden ist, wenn dieses Entgelt höher ist als das tatsächlich vereinbarte.“

BGH Urt. v. 29.04.2010, Xa ZR 5/09


Das wirkt sich durchaus aus, wie ein Beispiel zeigt:

Den Preis für ein Wochenende im Februar ab Frankfurt nach New York konnte ich gerade wie folgt abfragen:

Nutze ich die gleichen Flüge, starte aber meine Reise schon in Amsterdam und fliege auch am Ende dorthin zurück, ändert sich der Preis gewaltig:

Tritt ein Passagier den Flug hier erst in Frankfurt an, wäre es grundsätzlich denkbar, die Beförderung von der Zahlung der Differenz von rund 515,00 € abhängig zu machen, so dass der Passagier so gestellt ist, als hätte er von Anfang an den Flug ab Frankfurt gebucht.

Gleiches könnte auch für einen Hin- und Rückflug gelten, bei dem nur der Rückflug genutzt werden soll.

Umsetzung in AGB oft unzureichend

Wie Airlines mit diesen Vorgaben des Bundesgerichtshofs umgehen, ist am Markt überwiegend identisch: Für Verbraucher ist nicht erkennbar, welche Mehrkosten auf sie in welcher Konstellation zukommen können (Intransparenz). Zudem sind die Bedingungen, unter denen eine solche Zuzahlung erforderlich wird, viel zu weitgehend formuliert (unangemessen benachteiligend). So verwendet die Deutsche Lufthansa AG bis heute eine Regelung in den AGB, die selbst dann die Forderung einer Nachzahlung gestatten würde, wenn ein Teil eines Fluges aus dem Grund nicht in Anspruch genommen wurde, dass die Airline den Flug annulliert hat.

Ich bin daher der Ansicht, dass Klauseln, die Luftfahrtunternehmen regelmäßig einsetzen, nicht wirksam zur Nachzahlung verpflichten können.

AG Berlin-Mitte/ LG Berlin

Tatsächlich habe ich mit exakt diesen Argumenten für meinen Mandanten in einem aufsehenerregenden Verfahren vor dem AG Berlin-Mitte das Nachzahlungsverlangen der Lufthansa abwenden können. Die von Lufthansa dagegen erhobene Berufung zum Landgericht Berlin wurde zu Beginn der mündlichen Verhandlung hastig unter bemerkenswerten Umständen zurückgenommen, weil man offenbar Bedenken hatte, dass ein weiteres Gericht die AGB der Lufthansa für unwirksam hält. Die vergleichbaren Regelungen in Österreich werden – mit ähnlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen – am laufenden Band erfolgreich vom VKI vor Gericht kassiert.

Neues Urteil des BGH ändert nichts daran

Auch wenn eine weitverbreitete Presseinfo (und ihr folgende Presseberichterstattung) einen anderen Eindruck vermittelt: In seinem Urteil vom 25.04.2023, X ZR 25/22, hat der Bundesgerichtshof das nicht anders entschieden. Dort ging es um den Fall, dass der Passagier die geforderte Nachzahlung leistete und dann reisen konnte. Hier verneint der BGH einen Ausgleichsanspruch. Zur Frage, ob die Nachzahlung geschuldet war, verliert er ausdrücklich kein Wort.

Vorgehen für Verbraucher

Verbraucher können natürlich, wenn sie am Checkin stehen, diesen Streit nicht erst einmal gerichtlich ausfechten. Wer seine Ausgleichsleistung nicht riskieren will, sollte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.04.2023, X ZR 25/22 keinen Aufpreis zahlen und sich eine andere Beförderung buchen.

Wenn aber doch der ursprüngliche Flug in Anspruch genommen werden soll, ist es wichtig, gegenüber den Mitarbeitern bei Zahlung klarzustellen, dass eine Aufzahlung lediglich unter Vorbehalt der Rückforderung erfolgt. Passagiere sollten dann von ihrem Vertragspartner die Erstattung der Nachzahlung unter Fristsetzung verlangen. Hiernach kann die Erstattung entweder selbst eingeklagt oder mit Hilfe eines Rechtsanwalts durchgesetzt werden. Kosten der anwaltlichen Vertretung sind zumindest dann aus Verzugsgesichtspunkten von der Airline zu erstatten. Bei Fragen stehe ich gerne auch im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zur Verfügung.

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