Kuendigung JUCR Flatrate

JUCR Ladeflatrate: Fristlose Kündigung für Kunden

Mit JUCR ist ein tolles Produkt auf den Markt der Elektromobilität gekommen: Eine günstige Flatrate für das Laden von Elektro-PKW, das fast alle Ladesäulen Europas abdeckt. Nun hat JUCR einer Vielzahl von Kunden fristlos gekündigt. Zu recht?

Marktüberblick – was macht JUCR anders?

Das Laden eines Elektroautos kostet je nach zugrundeliegendem Vertrag und genutzter Ladeinfrastruktur derzeit zwischen 20 ct / kWh und 79 ct / kWh. Je nach Verbrauch sind damit bei gängigen vollelektrischen Fahrzeugen Stromkosten je 100 km von 4,00 € – 9,00 € durchaus üblich, sodass die Kosten mit denen eine Verbrenners mithalten können, oft sogar (deutlich) darunter liegen. Das Wirrwarr von Tarifen und Ladenetzen wollen Flatrates bekämpfen. Die derzeit einzigen bundesweit verfügbaren Angebote sind dabei von elvah und JUCR. Im Angebot von elvah ist sogar das Laden über Tesla-Supercharger möglich, die Kosten werden dann von elvah nach Einreichung beglichen. JUCR ist aber deutlich preiswerter: Derzeit kostet das Laden an AC-Ladesäulen („Langsamladen“) 49,00 € pro Monat, wohingegen für das Laden an AC- und den DC-Schnellladesäulen 99,00 € pro Monat fällig werden. Ein Tesla Model 3 kostet bei elvah hingegen bereits 159,00 €. Während elvah die Flatrate an ein Fahrzeug bindet, ist es bei JUCR anders: Hier dürfen mehrere Fahrzeuge geladen werden, soweit diese nur von einer Person genutzt werden.

Erste AGB-Änderung

Nach einem locker-lässigen Interview eines Investors, der ein recht optimistisches Bild des Geschäftsmodells verbreitete, wurden die kritischen Stimmen gerade in social media lauter: Das klappt doch eh nicht.

Tatsächlich strich JUCR als erstes die Möglichkeit, einer reinen DC-Ladeflatrate für 69,00 € im Monat zu buchen. Die Begründung war fadenscheinig: Das Produkt sei zu komplex und Verbraucher würden nicht verstehen, was das Produkt beinhalte. In Anbetracht des Umstands, dass 80% der E-Fahrer durchaus zu den pfiffigsten 20% der Gesellschaft gehören dürften, war für mich klar: Das Produkt war schlicht nicht wirtschaftlich.

Der zweite Schlag kam dann im November: JUCR passt seine AGB an. Die wesentlichen neuen Passagen lauten:

10.4. JUCR behält sich bei nicht vertragskonformer Nutzung des JUCR-Abonnements das Recht zur sofortigen Vertragskündigung vor. Ergänzend zu den übrigen Vertragsbedingungen dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten als nicht vertragskonforme Nutzung zusätzlich:

a) Fahrzeuge, die in der Regel von Dritten genutzt werden, dürfen nicht geladen werden.

b) Nicht vertragskonform ist ein unverhältnismäßig hoher und unüblicher Ladeumfang. Den Basiswert zur Beurteilung bildet der veröffentlichte Wert zur mittleren Fahrleistung im jeweils aktuellen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur veröffentlichten MiD-Bericht. Ein unverhältnismäßig hoher Ladeumfang entspricht beispielsweise einer monatlich hochgerechneten jährlichen Fahrleistung von über 30.000km pro Jahr und ist damit nicht vertragskonform.

5.3. Sollte eine Nutzung des JUCR-Abonnements für mehr als eine Person oder ein unverhältnismäßig hoher bzw. unplausibler Energieverbrauch detektiert werden, behalten wir uns das Recht vor, Deinen Vertrag und das jeweilige Abonnement mit sofortiger Wirkung zu kündigen.“

Darf sich das dann noch Flatrate nennen? Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen. Ich habe hierzu bereits vor vielen Jahren einen Aufsatz für den Telekommunikationsbereich veröffentlicht (VuR 2014, S. 43 ff.)

Hier merkt man aber besonders den Startup-Spirit: AGB-rechtlich halte ich diese Regelungen für vollkommenen Blödsinn, wie so oft bei Startups. Mit diesen Regelungen wird das Hauptleistungsversprechen („Strom zum Festpreis„) eingeschränkt, ohne eine transparente Vorgabe zur beinhalteten Leistung zu machen. 30.000 km in einem Mercedes EQC mit „digitaler Fahrweise“ 27.540 kWh (Quelle), wohingegen ein sparsam gefahrener Renault Zoe lediglich 3.300 kWh verbrauchen würde. Diese Regelungen scheitern vermutlich bereits an § 305c Abs. 1 BGB („überraschende Klausel“), sind zumindest gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB („Transparenzgebot“) unwirksam. Folge: Ausgesprochene Kündigungen sind rechtswidrig und es ergeben sich Schadensersatzansprüche, z.B. für nach Deaktivierung angefallene Ladekosten.

Besonders putzig war für Bestandskunden die neue Regelung in den AGB auch, weil JUCR eine „kreative“ AGB-Änderungsklausel verwendet:

3. Änderung der AGB:
Zur laufenden Verbesserung der JUCR-Dienste und der stetigen Weiterentwicklung von Funktionen und Sicherheit der JUCR-Plattform kann eine gelegentliche Änderung dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Die Änderung der AGB wird Dir zuvor durch eine E-Mail oder innerhalb der JUCR-Dienste (in der Regel der JUCR-App) angezeigt und um Deine Zustimmung gebeten. Die jeweiligen Änderungen gelten als akzeptiert soweit Du diese nicht innerhalb von 14 Tagen ablehnst. Wenn Du den jeweils geänderten AGB nicht zustimmen möchtest, musst du die Kündigung deines JUCR-Abonnements vornehmen.“

Das geht so nicht. Gerade noch im April hat der Bundesgerichtshof Banken ähnliche Klauseln im Rahmen der Preisanpassung um die Ohren gehauen (s. BGH Urt. v. 27.04.2021, XI ZR 26/20). Die Folge ist hier: Bestandskunden sind weiterhin mit den bisherigen AGB mit JUCR vertraglich verbunden.

Kündigungswelle

Mag man JUCR diese vorgenannten – groben – juristischen Schnitzer noch verzeihen, weil es ein innovatives Produkt ist, weil der Support schnell und gut reagiert, weil der Preis stimmt, so gipfelte nun alles in einer offenbar massiven Kündigungswelle. In Foren und social media berichten viele Kunden davon, dass ihnen JUCR den Vertrage gekündigt habe, dies zudem fristlos.

Hi!
Wir sind angetreten, um die letzten großen Herausforderungen beim Ausbau der Elektromobilität zu reduzieren.
Wir haben hierfür ein attraktives Produkt geschaffen, das es vor allem den neuen Nutzern einfacher und attraktiver macht.

Allerdings mussten wir auch feststellen, dass es Kunden gibt, deren Mobilitätsbedarf deutlich von den üblichen Bedarfen abweicht.

Nachdem wir Dein Ladeverhalten (gemäß unserer AGBs) analysiert haben, müssen wir leider feststellen, dass auch Dein Mobilitätsbedarf nicht zu unserem Angebot passt.
Deshalb sehen wir uns leider gezwungen, Dein Abonnement mit sofortiger Wirkung zu kündigen.

Vermutlich wird Dich das nicht erfreuen, das verstehen wir. Aber wir bitten Dich um Verständnis dafür, dass wir unser Angebot für die große Community der Elektromobilisten nur aufrecht erhalten können, wenn wir derartige Einschränkungen unseres Angebotes vornehmen.

Eine Erstattung Deines Beitrags für noch offene Tage Deines bisherigen Abonnements, haben wie soeben veranlasst.

Viele Grüße vom gesamten JUCR-Team

Darunter befinden sich Nutzer, die JUCR durchaus üppig nutzten und damit das Geschäftsmodell sicher zu ihren Gunsten verwenden konnten. Vereinzelte Berichte von Wenignutzern verunsichern aber. So behauptet ein Nutzer, lediglich 1x geladen zu haben, dies aber an einem besonders teuren IONITY-Ladepunkt. Ein anderer Nutzer hatte lediglich 70 kWh im aktuellen Abrechnungszeitraum geladen.

Fristlose Kündigungen überwiegend unwirksam

Vorweg: JUCR kann selbstverständlich, wie auch jedes andere Unternehmen, Verträge ordentlich kündigen. Dafür bedarf es auch keines Grundes. Das muss aber mit der vereinbarten Vertragslaufzeit – hier jeweils ein Monat – übereinstimmen.

Nach den obigen Ausführungen zu den AGB von JUCR gehe ich davon aus, dass in den allermeisten Fällen Kündigungen von Nutzern mit sofortiger Wirkung (!) unwirksam sein dürften und Nutzer einen Anspruch auf eine Weiternutzung bis zum Ablauf des vereinbarten Nutzungsmonats haben dürfte. Dass JUCR angekündigt hat, die anteilige Vergütung zu erstatten, ändert daran nichts.

Betroffene Nutzer sollten JUCR zur Reaktivierung auffordern (mail@jucr.de). Kommt JUCR dem nicht nach, sollten angefallene Ladekosten bei JUCR ersetzt verlangt werden.

Liebes JUCR-Team

Eure Idee ist toll. Euer Team wirkt motiviert und hilfsbereit. Auch wenn Ihr mit Eurem Produkt quasi-Neuland betretet: Sich markiger Buzzwords („Flatrate“) zu bedienen und später wenig transparent User rauszuwerfen, gehört sich nicht. Abgesehen von der juristischen Bewertung, solltet Ihr Euch daran erinnern, dass E-Fahrer meistens anders sind, oder habtIihr schon mal gesehen, dass sich Verbrenner-Fahrer an der Tankstelle grüßen? Der Schaden, den solche Aktionen anrichten, dürfte erheblich sein. Damit vergrault Ihr nicht nur die Nutzer, die Ihr eh nicht wollt (vermutlich die IONITY-Poweruser), Ihr schadet Eurem Ruf in einer Szene, die zumindest heute noch im Wesentlichen auf Empfehlung basiert.

Kommuniziert fair, was Ihr anbietet und macht keine Schnellschüsse.

Update 30.11.2021:

Soft-Fair-Use nennt JUCR nun das, was eigentlich ein Ladepaket mit 450 kWh ist. Ob es das besser macht? Dazu auch heute mein Gespräch mit Oliver Bornemann von einfach elektrisch.

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