LG Berlin Hellofresh Kundenzufriedenheit Spam

LG Berlin: Zufriedenheitsbefragung von HelloFresh an Rechtsanwalt ist rechtswidriger Spam und zu unterlassen

Der Versand von Werbung per E-Mail erfordert grundsätzlich eine Einwilligung des Empfängers, wenn nicht ausnahmsweise nach den Wertungen des § 7 Abs. 3 UWG („Direktmarketing gegenüber Bestandskunden“) eine Einwilligung entbehrlich ist. HelloFresh hat das nicht berücksichtigt und mir eine Zufriedenheitsbefragung übermittelt, nachdem ich für meinen Mandanten gegenüber dem Unternehmen auftrat. Das ist rechtswidrig und zu unterlassen, wie das LG Berlin nun feststellt.

Spam an Rechtsanwalt

Nachdem ich (mal wieder…) für meinen Mandanten gegen HelloFresh tätig wurde, erhielt ich kurze Zeit später eine total locker-fresh formulierte Anfrage zur Kundenzufriedenheit, in der man mich sogar duzte:

Nach der Gestaltung war klar: Hier wird offenbar jeder Anfragende pauschal mit so einer Befragung beglückt, das System wendet sich nicht nur z.B. an Kunden. Auf meine Abmahnung hin gab HelloFresh eine Unterlassungserklärung ab, die unter anderem das Versprechen einer Vertragsstrafe von 100,00 € enthielt, sollte es noch einmal zu einer weiteren Werbemail kommen. Da ist natürlich klar, wie sehr so ein Vertragsstrafeversprechen ein Unternehmen mit knapp 6 Milliarden Euro Umsatz in 2021 motiviert, die Prozesse umzustellen, sodass ich vor dem AG Berlin-Mitte eine Klage auf Unterlassung erhoben habe.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Berlin hat den Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB bejaht und dafür die Wertungen des § 7 UWG herangezogen, wie es auch der BGH vorgibt (s. BGH Urt. v. 14.03.2017, VI ZR 721/15).

„Bei der streitgegenständlichen E-Mail handelt es sich um Werbung im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EU L 376 S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Hierunter fallen auch Kundenzufriedenheitsabfragen, da diese zumindest auch dazu dienen, so befragte Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Durch derartige Befragungen wird dem Kunden der Eindruck vermittelt, der fragende Unternehmer bemühe sich auch nach Geschäftsabschluss um ihn. Der Unternehmer bringt sich zudem bei dem Kunden in Erinnerung, was der Kundenbindung dient und eine Weiterempfehlung ermöglicht. Damit soll auch weiteren Geschäftsabschlüssen der Weg geebnet und hierfür geworben werden (BGH, Urteil vom 10.07.2018, VI ZR 225/17, juris, Rn. 18 – Kundenzufriedenheitsbefragung m.w.N.).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Nachfrage auf ein unmittelbar vorher erworbenes Produkt bezieht. Auch die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Kundenservice (vgl. KG, Urteil vom 15.09.2021, 5 U 35/20, juris, Rn 24), insbesondere auch im Rahmen der Bescheidung über eine Beschwerde (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 04.09.2020, 10 U 18/20, juris, Rn.18) stellen Werbung in diesem Sinne dar. Denn auch eine solche Nachfrage dient dazu, den Eindruck zu vermitteln, dass man sich auch nach der Bearbeitung des Problems, wegen dessen der Angeschrieben den Kundenservice kontaktiert hat, um ihn bemüht, was letztlich den Weg für späterer Geschäftsabschlüsse ebnen soll.
Vorliegend enthält die E-Mail neben dem zulässigen Hinweis, dass ein Schreiben des Klägers beim Kundenservice eingegangen ist und hierzu eine Antwort verschickt wurde, die ggfs. im Spam-Ordner des Klägers gelangt sein könne, eben eine solche Nachfrage, ob der Kläger mit dem Kundenservice zufrieden sei und die Bitte, diesen mittels eines Punktesystems zu bewerten. Der Umstand, dass die E-Mail mit der Eingangsbestätigung und dem Hinweis, dass eine Antwort versendet wurde, auch einen nicht werbenden Teil enthält, steht der Einordnung der E-Mail als Werbung aufgrund des darin auch enthaltenen werbenden Teils nicht entgegen. Die streitgegenständliche E-Mail wird von der Beklagten nämlich in zweifacher Hinsicht – zum einem für die nicht zu beanstandende Eingangsbestätigung und zum anderen unzulässig für Zwecke der Werbung in Form einer Kundenzufriedenheitsanfrage – genutzt.“

Auch der Umstand, dass ich mich nicht als Kunden an HelloFresh wandte, ist für das Gericht irrelevant:

„Die Beklagte kann sich dabei nicht darauf berufen, dass der Kläger im konkreten Fall kein Kunde der Klägerin [Anm. Dr. Böse: hier wohl gemeint: Der Beklagten] war und auch nicht als solcher Kontakt zu ihr aufgenommen hat, sondern den Kundenservice im Rahmen eines laufenden Rechtsstreits für seinen Mandanten angeschrieben hat. Der Umstand, dass die E-Mail im Nachgang zu der vorgenannten Korrespondenz verschickt wurde, kann ihr den werbenden Charakter nicht nehmen. Die E-Mail hat keinen konkreten inhaltlichen Bezug auf die zwischen den Parteien geführte Korrespondenz. Der Kläger musste und konnte die E-Mail insbesondere nicht dahingehend verstehen, dass die Beklagte mit der E-Mail nachfragen wollte, ob er mit der Antwort auf sein anwaltliches Aufforderungsschreiben zufrieden war. Ihrem Inhalt nach handelt es sich vielmehr um eine nicht auf den Einzelfall angepasste automatisierte Massenmail, welche die Beklagte an jeden Kunden versendet, der zu ihren Kundenservice Kontakt aufgenommen hat und damit die Intension hat, dem Angeschriebenen den Eindruck zu vermitteln, dass man sich weiterhin um ihn bemühe und sich bei diesem positiv in Erinnerung zu bringen. Dies zeigt sich bereits an der Benutzung der „Du-Form“, die bei Kommunikation um Rahmen eines Rechtsstreits mit einem Anwalt unüblich ist.“

Die empört in der mündlichen Verhandlung angekündigte Berufung legte HelloFresh übrigens nicht ein.

Fazit

Unternehmen sollten sich gut überlegen, an wen Sie Zufriedenheitsbefragungen ausspielen, da diese in aller Regel als werblich betrachtet werden und die Vorgaben an einen Werbeversand per E-Mail durchaus hoch sind.

Eeaster-Egg

Ist Ihnen eigentlich beim Lesen meiner Zusammenfassung etwas aufgefallen? Die Klage habe ich am AG Berlin-Mitte erhoben, entschieden hat das LG Berlin. Wie kam es dazu? Das AG Berlin-Mitte hatte leichte Zweifel an der Zuständigkeit geäußert, da auch die Abkürzung UWG (dessen Wertungen hier heranzuziehen waren) in der Klageschrift vorkam, was gem. § 14 Abs. 1 UWG zur Zuständigkeit des Landgerichts führen könnte.

Das ist zwar in rechtlicher Hinsicht Unsinn, da ich einen subjektiv-rechtlichen Anspruch nach dem BGB geltend mache. Das war für mich aber ein Alarmsignal, was mich noch am Amtsgericht erwarten könnte und ich habe daher liebend gerne die Verweisung an das LG Berlin beantragt, das – weil die Verweisung nicht willkürlich erfolgte – gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO daran gebunden war.

LG Berlin, Urt. v. 19.04.2022, 16 O 188/21 im Volltext zum Download

Kommentar verfassen

Scroll to Top