Australien verfügt(e) über die gravierendsten Einschränkungen in Bezug auf die Einreise auf dem Luftweg aus Anlass der Covid19-Pandemie. Meinen Mandanten wurde im Juni 2021 durch Qatar Airways die Beförderung verweigert, das Landgericht hat einen Ausgleichsanspruch von 600,00 € pro Passagier zutreffend bejaht.
Was war geschehen
Bereits im Januar 2021 buchten meine Mandanten (Bürger bzw. Anwohner Australiens) einen Flug mit Qatar Airways für Juni 2021. Dabei galten bereits seit rund einem Dreivierteljahr krasse Einreisebeschränkungen, die sich zuletzt darin ausdrückten, dass Australien Passagierzahlen pro Airline, Tag und Flughafen bekanntgab. So kam es dazu, dass Qatar Airways an machen Tagen gar keine Passagiere befördern durfte, an anderen Tagen teils nur 25 Passagiere:
Gleichwohl verkauft Qatar Airways Tickets und es kam, wie es kommen musste: Qatar Airways verweigerte meinen Mandanten die Mitnahme. Wie Qatar Airways dabei vorging, halte ich für fragwürdig. Im Verfahren gaben die Anwälte der Airline an:
Auf Umwegen gelangten meine Mandanten in ihre Heimat, machten jedoch im Nachgang ihrer Ansprüche gegen Qatar Airways geltend.
Entscheidung des LG Frankfurt a. M.: Ausgleichsanspruch geschuldet
Das LG Frankfurt a. M. nahm an, dass meinen Mandanten aufgrund der Nichtbeförderung ein Ausgleichsanspruch nach Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit. c) der Verordnung 261/2004/EG zusteht. Auf mögliche außergewöhnliche Umstände kommt es nicht an.
Zur Begründung führt das Gericht aus:
Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen durch ihre Stornierungsmitteilung mithin die Beförderung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 VO die Beförderung verweigert hat, schuldet sie die Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c VO.
Dass die Reduzierung der Kapazität der zu befördernden Personen auf einer Anordnung der australischen Behörden beruht, hindert die Ausgleichsleistung nicht. Art. 4 Abs. 3 VO benennt keinen Grund für die Beförderungsverweigerung. Art. 4 Abs. 3 VO setzt nicht voraus, dass der Grund für die Beförderungsverweigerung aus der Sphäre des Luftfahrtunternehmens stammt.
Zwar mag die durch ein Luftfahrtunternehmen veranlasste Überbuchung eines Fluges den Verordnungsgeber zur Schaffung des Art. 4 Abs. 3 VO motiviert haben. Zum Verordnungsinhalt ist eine solche Motivation aber nicht geworden. Auch die Erwägungsgründe reduzieren den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 3 VO nicht auf diese Fälle.
Ein Korrektiv wie in Art. 5 Abs. 3 VO geregelt, wonach eine Ausgleichsleistung im Falle der Annullierung bei außergewöhnlichen Umständen nicht zu zahlen ist, findet sich in Art. 4 VO nicht. Angesichts des klaren Wortlauts des Art. 4 VO besteht kein Anlass zu einer einschränkenden Auslegung, weshalb es keiner Vorlage an den EuGH bedarf, wozu das Gericht als Eingangsinstanz und nicht letztentscheidendes Gericht gemäß Art. 267 AEUV auch nicht verpflichtet wäre. D
er Annahme einer Nichtbeförderung i.S.d. Art. 4 VO steht auch nicht die Definition i.S.d. Art. 2 lit. j VO entgegen. Es bestehen keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung. Die in Art. 2 lit. j VO genannten Gründe beziehen sich auf die Person des Fluggastes, auf seine Reiseunterlagen oder auf Gründe der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit. Solche Gründe, die eine Nichtbeförderung des Klägers und der mitreisenden Personen gerechtfertigt hätten, liegen nicht vor. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen war eine Beförderung des Klägers grundsätzlich nicht gehindert. Er und die mitreisenden Personen hätten nach Australien einreisen dürfen. Auch die Beklagte benennt keine konkreten Gründe, die verhindert hätten, dass der Kläger und die mitreisenden Personen nach Australien hätten einreisen dürfen. Grund für die Nichtbeförderung allein die Kapazitätsbeschränkungen durch die Anordnungen der australischen Behörden. Die Beklagte hat sich entschieden, nicht den Kläger oder die beiden anderen Personen zu befördern, sondern andere Fluggäste, die in einer anderen Kategorie gebucht waren als der Kläger und die mitreisenden Personen. Diese Auswahlentscheidung liegt zwar im Ermessen der Beklagten, hindert aber nicht die Ausgleichsleistung. Hätte sich die Beklagte für den Kläger oder die mitreisenden Personen entschieden, hätten diese befördert werden können. Gründe der allgemeinen und betrieblichen Sicherheit liegen ebenfalls nicht vor. Die Gründe für die Kapazitätsbeschränkungen beruhen nicht auf dem Flugbetrieb, sondern auf den behördlichen Maßnahmen zur Einschränkung einer Pandemie. Sicherheitsrisiken für den Flugbetrieb haben nicht bestanden.
Fazit
Reisende können auch bei behördlich bedingter Nichtbeförderung einen Anspruch auf eine Entschädigung bis zu 600,00 € haben, wenn der Flug grundsätzlich durchgeführt und Passagiere befördert werden.
Diese Entscheidung ist auch gerecht: Luftfahrtunternehmen haben es in Pandemiezeiten in der Hand, durch einen Ticketverkauf erst zu dem Zeitpunkt, an dem die Möglichkeit zur Beförderung sicher besteht, dieses Risiko zu vermeiden. Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, „auf gut Glück“ schon einmal die Sitzplätze zu füllen, ist dies das Problem des Luftfahrtunternehmens. Anders als bei einer Annullierung von Flügen ist es auch egal, wann den Passagieren mitgeteilt wird, dass sie nicht befördert werden.
Ob auch Sie nach dieser Entscheidung gute Chancen auf die Geltendmachung einer Entschädigung haben, kläre ich gerne im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung mit Ihnen.
LG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.01.2022, 2-24 O 137/21