Erstattung

Reisebüro oder Airline: Wer schuldet die Ticketpreiserstattung?

Aufgrund einer Vielzahl von Flugstornierungen durch die Covid-19-Welle haben Passagiere von EU-Airlines und mit anderen Airlines ab EU-Startflughäfen einen Anspruch auf Flugpreiserstattung, der nicht in Form eines Gutscheines akzeptiert werden muss, sondern vielmehr durch Rückzahlung erfolgt.

Aber wer ist Schuldner?

Wer ist aber Schuldner dieses Anspruchs? Gerade in den letzten Tagen geistert ein Gerücht durch soziale Netze: Der Anspruch auf Erstattung bestehe angeblich gegen das (Online-)Reisebüro, weil dieses ja auch Vertragspartner des Passagiers sei.

Das ist in den meisten Fällen unzutreffend.

Zwar ist das Reisebüro auch Vertragspartner, dies aber nur für einen Vermittlungsvertrag und nicht für den Luftbeförderungsvertrag (Ausnahmen sind selten, zum Beispiel im Bereich des Vollcharters durch ein Reisebüro). Der wesentliche Vertrag besteht mit einem Luftfahrtunternehmen.

Airline ist Schuldner

Vertragliche Ansprüche sind aber nicht sonderlich bedeutend. Der besonders passagierfreundliche Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 lit. a der VO 261/2004/EG („Fluggastrechteverordnung“) besteht gegen das Luftfahrtunternehmen und ist ein gesetzlicher Anspruch. Ausnahmen von diesem Anspruch gelten im Wesentlichen nur bei Pauschalreisen.

Abwicklung „über Reisebüro“

Soweit Luftfahrtunternehmen schon immer und insbesondere in der aktuellen Lage immer wieder Passagiere auf ihr Reisebüro verweisen, ist das unbeachtlich. Es mag sein, dass zwischen Vermittler und Luftfahrtunternehmen eine vertragliche Vereinbarung besteht, wonach Erstattungen stets den Umweg über das Reisebüro nehmen. Das ist für Passagiere aber unbeachtlich. Überspitzt: Ob das Geld per Brieftaube oder vom Reisebüromitarbeiter überbracht wird, ist egal, solange es den Passagier erreicht.

Nachteile bei Abwicklung über Reisebüro

Reisebüros verlangen teils für die Abwicklung einer Erstattung eine Gebühr, deren Rechtmäßigkeit nicht ganz klar ist. Das gilt insbesondere, wenn die Stornierung nicht vom Passagier veranlasst wurde.

Besonders gravierend sind aber derzeit die aus meiner Sicht rechtswidrigen Ankündigungen von Luftfahrtunternehmen gegenüber Reisebüros, schlicht keine oder nur stark verzögerte Erstattungen zu veranlassen.

Empfehlung: Airline und Reisebüro auffordern

Die Empfehlung für eine möglichst schnelle Erstattung ist es daher, sowohl das Luftfahrtunternehmen, als auch das Reisebüro zur Erstattung aufzufordern, dies binnen der gesetzlichen Frist von 7 Tagen. Eine Geltendmachung per E-Mail ist dabei zu Nachweiszwecken sinnvoll, die E-Mail sollte zum Beleg der Versendung in BCC auch an Freunde oder Kollegen versendet werden. Wer keinen Abzug einer Bearbeitungsgebühr des Reisebüros riskieren will, fordert besser nur die Airline zur Erstattung auf.

Und dann?

Sollte eine Erstattung auch mit größerem Nachlauf nicht erfolgen, sollte über eine klageweise Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nachgedacht werden. Dabei gibt es derzeit Luftfahrtunternehmen, bei denen ich Mandanten aufgrund der wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Monate zu einem Abwarten rate.

Auch helfen teils Kreditkartenunternehmen, die die Möglichkeit eines sogenannten „Chargeback“ prüfen, bei dem die Abbuchung des Kartenkonto wieder gutgeschrieben wird, weil die bezahlte Leistung nicht erbracht wurde. In der Regel sind dabei Belege für einen fruchtlosen Klärungsversuch vorzulegen.

22 Kommentare zu „Reisebüro oder Airline: Wer schuldet die Ticketpreiserstattung?“

  1. o.g. Rechtsverhältnisse beziehen sich ausschliesslich auf Art. 8 Abs. 1 lit. a der VO 261/2004/EG (“Fluggastrechteverordnung”) und damit verbundenen Forderungen von Kunden.

    Für alle anderen Forderungen (also z.B. aufgrund einer Entscheidung des Kunden) ist weiterhin das Reisebüro zuständig. Die müssen den Flug stornieren und dem Kunden lt der Ticketrules erstatten. Gebühren für dieser „Dienstleistung“ sind hier zulässig

      1. das mag formalrechtlich stimmen – es gibt aber so gut wie keine Airline, die sich bei Anfragen bzgl. Stornierung und Änderungen zu OTA Buchungen darauf einlässt, aktiv zu werden.

        Die meisten Airlines bieten zwar die Möglichkeit, die OTA Buchungen aufzurufen, schreiben aber meist gleich dort rein „we are unable to change anything in this booking“.

        Wer bei der Airline anruft, wird verwiesen an das OTA. Wer behauptet, Vertragspartner sei das Luftfahrtunternehmen, wird abgewimmelt!

  2. Pingback: Verweis auf Reisebüro rechtswidrig: Air France verpflichtet sich zur Unterlassung - rechteindeutig.de

  3. Sie schreiben, „die Möglichkeit eines sogenannten “Chargeback” prüfen“.
    Man zahlt aber ab den Vermittler und mich an die Airlines.
    Somit hat man doch keine Möglichkeit des Chargeback.
    Oder sehe ich das falsch?
    Danke

    1. Dr. Matthias Böse

      Die Regelungen zum Chargeback sind, vorsichtig formuliert, „detailreich“. Egal an wen gezahlt wurde: Die Leistung, die für die Zahlung erbracht werden sollte, wurde nicht erbracht. Selbst bei Buchungen über Vermittler erfolgen Zahlungen teils direkt zu Airlines.

  4. Sehr interessante Information. Ich habe einen Flug bei Opodo gebucht, eine Flugnummer von Delta, Hinflüge mit KLM und Rückflüge mit Air France. Jetzt wurden von KLM eine Teilstrecke des Hinflugs und von Air France der gesamte Rückflug storniert und ich frage mich, wer jetzt wofür zuständig ist…

    1. Dr. Matthias Böse

      Gute Frage. Man kann sicher gut Argumentieren, dass KLM für alles verantwortlich ist, da der Hinflug bereits „zerstört“ wurde. Sicherer finde ich aber eine Geltendmachung anteilig bei den beteiligten ausführenden Airlines.

  5. Benjamin Turian

    Hallo,

    Mein Flug wurde durch die Airline storniert. Bezüglich der Erstattung habe ich mich bisher nur an die Airline gewendet. Nun hat die Airline die Erstattung an die OTA gezahlt, die hat mir dann Geld überwiesen, jedoch einen nicht unerheblichen Betrag als Gebühr einbehalten.
    Sie verweisen in Ihrem Blog bezüglich solcher in den AGB der OTAs aufgeführten Gebühren an das Urteil vom Landgericht Leipzig.
    Leider habe ich über eine norwegische Website meine Flüge gebucht. Dort gilt dieses Urteil sicherlich nicht. Fakt ist, ich habe nicht den vollständig bezahlten Betrag erhalten, wie es das EU Recht vorsieht. An wen wende ich mich in diesem Fall?

    Mit freundlichen Grüßen
    Benjamin Turian

    1. Dr. Matthias Böse

      Das ist ein kniffliger Fall, da Sie bereits selbst erkannt haben, dass der ausländische OTA das Problem sein wird. Hier wäre vielleicht eine Eingabe bei einer Schlichtungsstelle der richtige Weg, ich bin da aber wenig optimistisch. Beim nächsten Mal können Sie den Erstattungsanspruch gegen die Airline einem Dritten abtreten und so eine Erstattung an den OTA vermeiden.

      1. Benjamin Turian

        Ich danke Ihnen für die schnelle Antwort.
        Die Europäische Schlichtungsstelle habe ich kontaktiert und gebe Rückmeldung, sobald ich mehr weiß.
        Ich sehe es so, dass ich die Airline auf Ihrer Website beauftragt habe, mir das Geld zu erstatten, nicht die OTA. Ohne Auftrag kann die OTA mir keine Gebühr berechnen. Weiterhin ist es Aufgabe der Airline, mir den vollen Betrag zu erstatten. Wenn die einen gebührenpflichtigen Weg wählen, sollen sie die Gebühren selbst zahlen. Es bestand ja auch die Möglichkeit, mir das Geld direkt zu überweisen.

  6. In diesem Falle ist die Ticketnummer bzw.das Präfix ausschlaggebend also die ersten drei Ziffern die den Carrier angeben auf den das Ticket validiert ist.Dieser bekommt nämlich das Geld und es wird dann intern verteilt und dieser Carrier muss dann auch in diesem Fall den kompletten Betrag erstatten.

    1. Dr. Matthias Böse

      Ist das bis zu Ende durchdacht? Ticketing Airline als Anspruchsgegner weil „Geld ist da“? Könnte ich mir höchstens aus § 812 BGB vorstellen, einen Vertrag sehe ich da in vielen Fällen nicht.

  7. mit dem Satz: Empfehlung: „Airline UND Reisebüro auffordern“ hatte ich genau das gemacht und Mattias nach 7 Tagen eingeschaltet.

    Was ist nun passiert: der OTA hat (wohl sonst nicht viel zu tun?) wider erwarten doch die Erstattung eingeleitet und jetzt 8 Wochen nach Antrag auf meine Kreditkarte erstattet. Hurra? Nein, denn von den 188€ bezahlt wurde nur 107€ erstattet (40€/Ticket Service Gebühr!!) sieht man wieder mal wie OTA sich halten: über die Stornogebühren!

    Ich würde JEDEM empfehlen, auch wenn sich juristische Schritte anbieten, bei EU-Compensation NUR bei der Airline anzufragen und den OTA komplett raus zu lassen.

    Matthias, die Überschrift „Empfehlung: Airline und Reisebüro auffordern“ find ich keine gute Idee für weitere Leser und potentielle Kunden.

    1. Benjamin Turian

      Genau das habe ich getan. Die Airline hat das Geld erstattet, jedoch nicht an mich, sondern an die OTA. Die haben natürlich auch eine Gebühr einbehalten und so steht es leider in deren AGB.

      1. Airline auffordern mit Hinweis „eine Erstattung an dritte (nicht mich persönlich) widerspreche ich ausdrücklich.

        Sollte in einem Fall Benjamin die Airline wirklich innerhalb 7 Tagen das OTA bezahlt haben hast du wohl verloren. Wenn nicht, hast du hoffentlich alles gut dokumentiert? Ab dem 8ten Tag ohne Geld auf deinem Konto ist der Anwalt die richtige Wahl – egal ob die Airline dann mittlerweile doch an den OTA bezahlt hat. Ein guter Anwalt, wie Matthias, bekommt das hin: die Klage ist ja berechtigt, denn die Airline hat DICH innerhalb 7 Tagen zu bezahlen. Damit bekommt sowohl der Anwalt als auch das Gericht seine Honorare – von der Airline natürlich, denn das sind die Schlamper. Die OTA Problematik wurde nur bisher zu wenig eingeklagt!!

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