AG Frankfurt Fahrgastrechte per Email geltend machen

AG Frankfurt: Warum Sie Fahrgastrechte nicht beim (Kein)Servicecenter Fahrgastrechte geltend machen müssen und sollten

Es kommt zu Unregelmäßigkeiten auf Ihrer Bahnreise? Dann können Sie Zahlungsansprüche gegen das jeweilige Eisenbahnunternehmen geltend machen. Viele EUen verweisen Sie dazu auf das sogenannte Servicecenter Fahrgastrechte, bei dem Fahrgäste aber zum Teil unterhaltsame Dinge erleben. Nach einer aktuellen Entscheidung des AG Frankfurt a. M. ist das natürlich nicht erforderlich. Das vorweg: In ganz vielen Fällen leisten die Unternehmen gute Arbeit, was sich alleine schon an der Regulierungssumme von über 92 Millionen Euro alleine in 2022 zeigt. Es bleiben aber erschreckend viele Fälle dann doch auf der Strecke.

Welche Ansprüche gibt es im Wesentlichen?

Die wesentlichen Rechte sind die volle Erstattung, anteilige Erstattung bei Verspätung, Erstattung von Kosten für andere Verkehrsmittel sowie die Stellung von Verpflegung und Unterkunft (oder die Erstattung der Kosten hierfür). Die Grundlage für die Ansprüche sind die EU-Verordnung 2021/782 (Fahrgastrechteverordnung) sowie die Eisenbahnverkehrs-Verordnung (EVO). Teils gibt es noch regionale Zusatzregelungen wie die NRW Mobilitätsgarantie, die aber nicht Gegenstand dieses Beitrages ist.

Wer ist Schuldner?

Nicht das Servicecenter Fahrgastrechte ist Ihr Schuldner. Schuldner der Leistung ist das Eisenbahnunternehmen, das die Störung verursacht hat. Welches Unternehmen das ist, lässt sich z.B. in der Verbindungssuche auf bahn.de herausfinden:

Warum ist das Servicecenter Fahrgastrechte oft nur eine Zermürbungsmaschine gegen Fahrgastrechte?

Regelmäßig schieben EVUen bei der Geltendmachung von Ansprüchen das Servicecenter Fahrgastrechte vor und behaupten sogar, dass sie selbst die Eingaben nicht beachten müssten.

Das ist schlicht Unsinn und sogar rechtswidrig. Warum machen die EUen das? Weil man so Fahrgäste zermürben kann. Die Methoden des Servicecenter Fahrgastrechte sind dabei geschickt gewählt:

Keine einfache Eingabe per E-Mail

Der erste Trick ist es, dass das SC FGR nicht den Kommunikationsweg erlaubt, den heutzutage jedes Unternehmen nutzt: Die E-Mail. Man versteckt sich hinter einer Postadresse und einem aufwendigen Onlineformular. So soll es Vielfahrern erschwert werden, eine Vorlage einmal per Mail zu erstellen und dann – angepasst – immer wieder per Mail versenden zu können.

Eingabe von Anträgen verhindern

Der zweite Trick besteht darin, Anträge zu verhindern. Wann haben Sie Zeit, wenn Ihr Zug 70 Minuten Verspätung an Ihr Ziel hat? Wann ist Ihr Ärger so groß, dass Sie den beschwerlichen Weg eines Entschädigungsantrags gehen? Natürlich während Sie noch im Zug sitzen. Das wissen unsere Spezialisten bei der Bahn selbstverständlich auch und bremsen ihre Motivation:

Wer aber dann erst einmal am Ziel angekommen ist, hat genug damit zu tun, die Verspätungsfolgen wieder auszugleichen und am nächsten Morgen ist der Ärger vielleicht schon vergessen.

Erstattungsbeträge begrenzen

Gerade wenn es um Hotelübernachtungen geht, kann es durchaus teurer werden. Solche Fälle mag das Servicecenter Fahrgastrechte gar nicht und verweigert die Bearbeitung bei Onlineeingabe:

Unnötige Rückfragen

Auch gerne stellt das SC FGR unnötige Rückfragen, die zu der Anspruchsgeltendmachung keinen Bezug haben. So sollte mein Mandant mit einem Fernverkehrsticket mit Zugbindung, auf dem es keine 1. Klasse gab, für die Teilerstattung die Ankunftszeit nennen:

Originalbelege verlangen

Auch gerne will das SC FGR Originalbelege sehen. Der Hintergrund ist klar: Einerseits verursacht so eine Übersendung zusätzlichen Aufwand, den viele Reisende scheuen. Und wäre es nicht ärgerlich, wenn Ihr als einfacher Brief versandter Beleg niemals ankäme? Dass das Verlangen nach Originalbelegen rechtswidrig ist, regelt übrigens schon Art. 55 Abs. 3 der VO 2021/782/EU.

Kurz: Das SC FGR soll Fahrgäste von der Durchsetzung ihrer Rechte abhalten, statt die Geltendmachung zu erleichtern.

Geltendmachung beim EU direkt: Wie geht das?

Ich rate meinen Mandanten daher dazu, dass sie ihre Ansprüche direkt mit angemessener Fristsetzung bei dem jeweiligen Eisenbahnunternehmen geltend machen. Die Kontaktadressen finden sich auf Websites in den Angaben gem. § 5 TMG („Impressum“), für die DB Fernverkehr AG findet sich z.B. unter https://www.bahn.de/impressum die Adresse reiseportal@bahn.de.

Die EUen finden es natürlich nicht gut, wenn Verbraucher die Hürden so einfach umgehen, um ihre Ansprüche geltend zu machen. In einem aktuellen Fall gegen die DB Fernverkehr AG hatte das Amtsgericht Frankfurt am Main die Gelegenheit, der Bahn zu erklären, wie das mit Fahrgastrechten funktioniert:

Auch ein Zugang der Mahnung, welcher eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verzugseintritt darstellt, liegt vor. Dass der Kläger sein Erstattungsverlangen an eine E-Mail-Adresse der Beklagten richtete, welche – wie die Beklagte dargetan hat – dem Bahn Bonus Programm zugeordnet ist und grundsätzlich nicht zur Entgegennahme von Erstattungsansprüchen verwendet wird, ist unschädlich. Zwar kann eine dem Schuldner eine an eine unzutreffende Anschrift über-sandte Mahnung nicht die Verzugswirkungen auslösen, im elektronischen Postverkehr gelten allerdings andere Maßstäbe. So ist der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver jedenfalls dann, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen, als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können. Eine sonstige Erklärung im Rechtsverkehr kann beispielsweise das Veröffentlichen der E-Mail-Adresse oder das Nutzen dieser Adresse zur Kontaktaufnahme mit Kunden sein.
Dass die Beklagte die E-Mail-Adresse „status-service@bahn.de“, an welche der Kläger seine Erstattungsverlangen richtete, auch nutzt bzw. unter dieser im Geschäftsverkehr auftritt und dass die E-Mail des Beklagten tatsächlich zugegangen ist, wird von der Beklagten nicht bestritten. Die Beklagte trägt lediglich vor, die Geltendmachung von Erstattungsverlangen an diese E-Mail-Adresse verzögere den Erstattungsprozess, da eine interne Weiterleitung an die zuständige Stelle, das „Servicecenter Fahrgastrechte“, erforderlich gewesen sei. Dies liegt jedoch innerhalb der Risikosphäre der Beklagten und lässt den Verzugseintritt daher nicht entfallen. Zudem ist für einen objektiven Dritten erkennbar, dass die E-Mail-Adresse grundsätzlich der Beklagten oder jedenfalls deren Konzern zuzuordnen ist, eine Zuordnung zum „BahnBonus“-Programm geht aus ihr hingegen nicht unmittelbar hervor. Davon abgesehen ist der Kläger als natürliche Person Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, die Beklagte als Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB zu qualifizieren. Bei der Kommunikation zwischen Unternehmer und Verbraucher gilt, dass der Verbraucher unter mehreren Kontaktmöglichkeiten nicht auf eine festgelegt ist. So kann er beispielsweise nicht dazu verpflichtet werden, Erklärungen mittels eines Kontaktformulars abzugeben, wenn ihm auch eine E-Mail-Adresse des Unternehmers bekannt ist.

AG Frankfurt a.M., Urt. v. 08.11.2023, 29 C 599/23 (19)

Was sollte eine Aufforderung enthalten?

Ich rate dazu, folgende Daten anzugeben:

  • Name
  • Adresse
  • Bankverbindung
  • Geburtsdatum
  • Geplante Verbindung und tatsächliche Daten der Reise
  • Kopie des Fahrscheins / Angabe der Bahncard100-Nummer
  • Auflistung von Auslagen, Belege als Anlage beifügen
  • Frist von z.B. einem Monat

Und dann?

Zahlt das EU trotz angemessener Fristsetzung nicht oder verweigert es sogar die Zahlung, gerät es in Verzug. Kosten für einen jetzt beauftragten Anwalt sind dann am Ende regelmäßig von dem Eisenbahnunternehmen zu erstatten.

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