LMX Urteil AG Leipzig Erstattung

AG Leipzig: Keine kostenfreie Stornierung bei LMX wegen Corona – Wirklich?

Ein aktueller Beitrag auf der Branchenseite FVW (Paywall-Artikel) macht neugierig: Der Leipziger Veranstalter LMX, den ich auch aus diversen Verfahren als nicht sonderlich kundenfreundlich erlebt habe, soll in einem Fall einer bestehenden Reisewarnung nach Ansicht des AG Leipzig nicht die Anzahlung erstatten müssen. Die Überschrift und der (außerhalb der Paywall verfügbare) Text sind aber äußerst irreführend in Bezug auf das Urteil unter dem Aktenzeichen 102 C 7217/20 vom 28.04.2021 und wohl eher Clickbait.

Außergewöhnliche Umstände

Ein kostenfreier Rücktritt vom Pauschalreisevertrag ist möglich, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, § 651h Abs. 3 BGB. Reiserechtsspezialisten vertreten einhellig die Auffassung, dass eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, aber ggf. auch eine Ausweisung als Risikogebiet durch das RKI hierfür ein ausreichendes Indiz ist. Eine solche Reisewarnung bestand in dem Fall des AG Leipzig.

Außergewöhnlich != vorhersehbar

Was FVW in seiner Überschrift und auch der Einleitung unter den Tisch fallen lässt: Der Reiseanmelder hat die Reise erst im Juni 2020 für den Zeitraum ab dem 18. September 2020 gebucht. Im Juni 2020 war aber klar: Bis dahin ist die Pandemie nicht verschwunden. Wer sich inmitten einer Pandemie mit einhergehenden Beschränkungen zu einer Reisebuchung entscheidet, kann dann die vorhersehbaren Einschränkungen nicht „außergewöhnlich“ nennen: § 651h Abs. 3 BGB ist schlicht nicht anwendbar. Das Gericht führt dazu aus:

„Die grundsätzliche Möglichkeit, das für das Zielgebiet eine Reisewarnung ausgesprochen werden könnte, war dem Kläger bei Reisebuchung bekannt und stellt keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne des § 651h Absatz 3 BGB dar, so dass eine entschädigungslose Stornierung der Reise für den Kläger vorliegend nicht infrage kommt.“

Fazit

Viele LMX-Reisende, die bis heute auf ihr Geld warten, haben gute Chancen auf eine Erstattung, das gilt natürlich auch für alle anderen Veranstalter. Insbesondere bei Reisen, die vor der Pandemie gebucht wurden, ist das in der Regel kein großes Problem und die meisten Veranstalter knicken auf anwaltlichen Druck schnell ein. Etwas schwieriger wird es für Buchungen, die zu einem Zeitpunkt erfolgten, als Einschränkungen bereits vorhersehbar sein. Hier sollte eine anwaltliche Prüfung der Geltendmachung von Ansprüchen vorweggehen, zum Beispiel mit einer kostenlosen Erstberatung.

2 Kommentare zu „AG Leipzig: Keine kostenfreie Stornierung bei LMX wegen Corona – Wirklich?“

  1. Abgesehen verstößt die Entscheidung wohl gegen den Willen des Gesetzgebers:

    Alte Fassung
    (1) Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen.

    Neue Fassung
    3) 1 Abweichend von Absatz 1 Satz 3 kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. 2 Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

    -> Auf die Vorhersehbarkeit der außergewöhnlichen Umstände wurde durch den Gesetzgeber bewusst verzichtet, also kann es darauf auch nicht ankommen. Die Entscheidung widerspricht damit dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers.

    Im Übrigen sollte man bedenken, dass die zum Zeitpunkt der Buchung bestehende Reisewarnung wohl erst Recht dem Veranstalter bekannt sein sollte und er die Buchung daher auch hätte ablehnen können.

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