Einheitliche Buchung Kiwi EuGH Air France KLM

EuGH Vorabentscheidungsverfahren „Einheitliche Buchung durch Vermittler“ – Air France und KLM handeln


In einem aktuellen Vorabentscheidungsverfahren möchte der Bundesgerichtshof wissen, ob Endziel im Sinne des Art. 2 lit. h) der Fluggastrechteverordnung auch das Ziel eines Fluges sein kann, welches auf einem separaten Ticket von einem Vermittler im Rahmen einer einheitlichen Buchung angeboten und beschafft wurde. Diese Frage enthält eine Menge Sprengstoff für die Branche und hat erste Folgen.

Hintergrund: Zusammenstellung von Flügen an der Airline vorbei

Sie wollen vom Flughafen Weeze-Niederrhein nach Köln fliegen? Diesen Flug werden Sie so im Reisebüro und auch bei keiner Airline nicht gebucht bekommen. Ganz besonders ausgetüftelte Vermittler wie kiwi.com haben die Lücke besetzt und verkaufen einzelne Flugtickets, die im Ergebnis zu einer solchen Verbindung führen.

Risiken bei kiwi.com

Zu den Risiken einer solchen Buchung habe ich mich schon umfassend geäußert. Kurz: Klappt im Rahmen der Reise etwas nicht, ist der Passagier möglicherweise – trotz einiger Garantien seitens kiwi.com – aufgeschmissen und muss für erhebliche Mehrkosten und Schäden selbst aufkommen, denn jede einzeln beteiligte Airline wird sich nicht für die Gesamtreise verantwortlich fühlen.

Oder doch Gesamtverantwortung?

Ein wenig aufhorchen lässt eine aktuelle Frage, die der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichthofs im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 2 lit. h) der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG gestellt hat. Der BGH fragt:
„Liegen direkte Anschlussflüge im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Verordnung schon dann vor, wenn ein Reisevermittler Teilflüge von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen zu einem Beförderungsvorgang zusammenfasst, dem Fluggast hierfür einen Gesamtpreis in Rechnung stellt und in einheitliches elektronisches Ticket ausgibt, oder bedarf es darüber hinaus einer besonderen rechtlichen Beziehung zwischen den ausführenden Luftfahrtunternehmen?“

BGH, Beschluss vom 22. Juni 2021 – X ZR 2/20

Erhebliche Auswirkung auf einzelne beteiligte Airlines

Das dürfte z.B. auf Kiwi.com zutreffen. Bejaht der EuGH das Vorliegen „direkter Anschlussflüge“ bei einzelnen Buchungen, würde eines der beteiligten Luftfahrtunternehmen – obwohl getrennte Buchungen vorliegen – möglicherweise für eine Gesamtreise aufkommen müssen.
Wer mit Eurowings von Düsseldorf nach Barcelona mit Eurowings fliegt, um danach auf getrenntem Ticket (in einheitlichem Buchungsvorgang) mit Qatar Airways über Doha nach Sydney zu fliegen, der dürfte im Fall einer Ankunftsverspätung, die zum Verpassen des Anschlusses in Barcelona führt, mit einer erheblichen Rechnung auf Eurowings zukommen.
Das ist bereits heute denkbar, dies aber nur bei einheitlichen Buchungen (z.B. bei einem Flug mit Eurowings nach München, um von dort mit gleichem Ticket weiter nach Tokio mit ANA zu fliegen) und nur in eng umgrenzten und von den beteiligten Airlines beabsichtigen Fällen.

Air France und KLM ziehen die Notbremse

Air France und KLM, die übrigens in von mir betreuten Verfahren immer ihre mangelnde Einwirkungsmöglichkeit auf Vermittler beteuern, ziehen nun die Notbremse und fordern IATA-Agenturen auf, keine Tickets von KLM und Air France mehr für Kiwi.com auszustellen, dies als Folge von aufgelaufenen Kundenbeschwerden.

Fazit / Ausblick

Das Vorgehen von Air France und KLM ist sehr weitsichtig und dient dem Schutz der Interessen der Passagiere, da diese sich bei Buchungen auf Kiwi.com in manchen Fällen erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen. Der erste Ansprechpartner ist dann die Airline, die aber von der Gesamtbuchung in der Regel gar keine Kenntnis hat und – zumindest an vorderster Front im Kundenservice – keine Lösung schaffen kann.

Das Vorgehen zeigt aber auch, dass der EuGH guten Gewissens im Sinne eines hohen Schutzniveaus für Passagiere die Frage des Bundesgerichthofs bejahen kann. Zumindest dann, wenn für Verbraucher nicht hinreichend klar ist, welche Konsequenzen eine „selbst zusammengestellte“ Buchung hat, müssen Passagiere vor erheblichen Problemen bei ihrem Reiseverlauf geschützt werden. Zugleich würde auch eine Regressmöglichkeit zwischen Airlines einer dann einheitlichen Buchung in Frage kommen.

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