Mit dem Reisehack verkauft kiwi.com mal wieder ein Produkt, dessen Folgen für Verbraucher oft nicht klar sind. Was dahintersteckt und was zu beachten ist, erkläre ich hier.
Sparpotential durch Hidden-City-Ticketing
Beim sogenannten Hidden-City-Ticketing geht es darum, mehr Flüge zu buchen, als eigentlich benötigt, um so Geld zu sparen. Was auf den ersten Blick schräg klingt, ist mit der Tarifstruktur von Airlines zu erklären: Ein bequemer Direktflug ist fast immer teurer, als eine Umsteigeverbindung. Die oft beruflich erforderlich Einwegverbindung ist oft teurer, als der eher von Urlaubern gebuchte Hin- und Rückflug. Das Einsparpotential ist enorm. Möchte ich am 26. August von New York Newark (EWR) nach Frankfurt fliegen, werden mir für den Direktflug mit der 4-Sterne-Airline Lufthansa rund 1.360,00 € berechnet:
Suche ich die gleiche Verbindung bei kiwi.com, werden mir dort nur 528,00 € abverlangt:
Ein kleiner Button unten links („Reise-Hack“) weist Profis darauf hin, dass hier ein Trick angewendet wurde. Das sieht man bei genauerer Prüfung des Angebotes:
Kiwi bucht hier einfach noch einen Weiterflug nach Ibiza. Da der Wettbewerb auf Umsteigeverbindungen dorthin groß ist (mir fällt gerade keine Europäische Airline mit Langstreckennetzwerk ein, die nicht sowohl New York als auch Ibiza anfliegt), ist der Preis deutlich geringer.
Einschränkungen für Reisende
Diese Buchung bringt zwei wesentliche Einschränkungen mit sich:
Reisende sollten sich , zumindest bei kürzeren Umstiegszeiten, darauf einstellen, dass etwaiges Aufgabegepäck bis zum Zielort durchgecheckt wird. Im o.g. Beispiel gibt’s die Koffer vermutlich nicht schon in Frankfurt, sondern diese wandern grundsätzlich nach Ibiza. Reist der Passagier nicht weiter, muss das Gepäck zudem in der Regel händisch aus dem Gepäck des Weiterfluges entnommen werden, was zu erheblichem Mehraufwand bei der Airline führen kann. Bucht man nicht bei Kiwi.com, sondern versucht sich selbst am Hidden-City-Ticketing, kann ein langer Aufenthalt am gewünschten Ziel die Chancen massiv erhöhen sein Gepäck zu erhalten.
Auch müssen Reisende für alle Teile der Reise über die erforderlichen Einreisevoraussetzungen wie z.B. ein Visum verfügen.
Ein weiterer Punkt sind eventuelle Fluggastrechte. Ein deutsches Gericht ist immer dann zuständig, wenn Start, Ziel oder Sitz der Airline in Deutschland sind. Entscheidend ist das Endziel, nicht ein Umstiegsort der Reise. Die Rechtsdurchsetzung außerhalb Deutschlands (und vielleicht noch Österreich) ist schlicht katastrophal. Meine Beobachtung: Airlines wissen das und regulieren nicht-deutsche Sachverhalte deutlich nachlässiger. Die Durchsetzung von Ansprüchen ist damit stark erschwert. Bei einem Flug mit Lufthansa, wie im o.g. Beispiel, ist das natürlich kein Problem, da eine Klage in der Regel in Köln erhoben werden kann. Bei Flugausfällen stellt sich auch die Frage, ob der Fluggast z.B. eine andere Streckenführung wie Newark – Zürich – Ibiza akzeptieren müsste und damit Frankfurt nicht erreicht.
Übrigens ist die Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG schon nicht anwendbar, wenn eine Reise außerhalb des Anwendungsbereich der Verordnung beginnt und endet (s. EuGH Urt. v. 24.02.2022, C451/20 Rn. 41). Würde kiwi.com z.B. bei dem o.g. Beispiel den sogenannten Schwanzflug nicht nach Ibiza, sondern nach Istanbul einbuchen, gibt es z.B. keine pauschale Ausgleichsleistung von 600,00 €.
Teilweise wird im Netz auch von Nachteilen bei Vielfliegerprogrammen berichtet, so soll United Airlines angeblich den Rauswurf aus dem eigenen Programm angedroht haben.
Risiko von Nachforderungen?
Zuletzt stellt sich die Frage, ob Airlines hier möglicherweise die Nachzahlung der Ersparnis verlangen können. Das würden sie gerne und in den Beförderungsbedingungen der meisten Airlines sind auch Regelungen enthalten, die eine solche Nachzahlungsverpflichtung regeln sollen. Unsere nationale 4-Sterne-Airline Lufthansa regelt es z.B. wie folgt:
„3.3.3. Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Couponreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte, dass wenn Sie die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten antreten, wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren werden. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher oder niedriger sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis.“
Eine solche Klausel halte ich für rechtlich nicht wirksam. Bei vergleichbarer Rechtslage sind in Österreich bereits mehrere wettbewerbsrechtliche Verfahren zu Lasten der Airlines entschieden worden. Ich durfte sogar den (nach meiner Kenntnis) bisher einzigen Passagier vertreten, der für die Nichtinanspruchnahme des letzten Fluges von Lufthansa vor dem AG Berlin-Mitte verklagt wurde. Lufthansa hat verloren und dann Berufung eingelegt. Unter „merkwürdigen“ Umständen konnte dann aber der Rechtsanwalt der Lufthansa es gar nicht erwarten, in der mündlichen Verhandlung zur Berufung als allererstes die Berufung zurückzunehmen. Man hatte wohl Angst davor, nun auch von einem Landgericht zu hören, dass diese Nachberechnung Unsinn ist (mehr zu diesem Fall in einem gesonderten Beitrag). Kurz: Hier halte ich die Risiken für extrem gering, dass eine Airline sich überhaupt vor ein deutsches Gericht damit traut.
Fazit
Mit Hidden-City-Ticketing lässt sich sehr viel Geld sparen und kiwi.com macht es nun auch für Verbraucher einfach, dieses Tool zu nutzen. Richtig angewendet, halte ich das für eine gute Möglichkeit, seine Flugreise zu buchen. Lediglich die Hinweise des Vermittlers kiwi.com sind aus meiner Sicht noch zu wenig transparent, das Produkt ist einfach stark erklärungsbedürftig.