AG Köln Umbuchung nach Annullierung ohne Fluggastrechte-Verordnung (1)

AG Köln: Flug annulliert? Neuer Flug zum Wunschtermin

Wird ein Flug annulliert, stehen Passagieren mehrere Optionen nach der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG offen, darunter die Erstattung und Ersatzbeförderung. Teils wird vertreten, eine Ersatzbeförderung müsse in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der anfangs gebuchten Reise bestehen (was aus meiner Sicht falsch ist).

Zum Fall

In meinem Fall wurde mein Mandant zu Beginn der Covid19-Pandemie von Lufthansa in Bangkok „sitzengelassen“, er reiste auf eigene Faust nach Hause und wollte nun seinen gebuchten First Class Flug für eine andere Reise im November 2021 verwenden. Leider hat Lufthansa aber die First Class auf vielen Strecken, so auch von/nach Bangkok nicht mehr im Programm, sodass eine einfache Umbuchung nicht funktionierte.

AG Köln: Fluggastrechteverordnung hier egal – Anspruch aus BGB

Das Gericht greift auf nationales Werkvertragsrecht aus dem BGB zurück und lässt die EU-Verordnung links liegen:

„Dem Kläger steht ein Anspruch auf Beförderung zu den ursprünglich vertraglich vereinbarten Konditionen aus § 631 Abs.1 BGB zu. 1. Der Rückgriff auf das nationale Recht ist dabei durch die Fluggastrechteverordnung nicht gesperrt. Diese sind nebeneinander anwendbar.

Die Annullierung des Fluges führt nicht zu dessen Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs.1 BGB. Nach zutreffender herrschender Auffassung stellen Flugreisen lediglich relative aber keine absoluten Fixgeschäfte dar. Mithin tritt mit Verstreichen des vereinbarten Reisezeitpunkts nicht per se Unmöglichkeit ein. Vielmehr berechtigt dies den Gläubiger lediglich zum Rücktritt ohne eine Frist zur Nacherfüllung setzen zu müssen. Allerdings handelt es sich beim Rücktrittrecht um ein Gestaltungsrecht, dass der Gläubiger ausüben kann aber eben nicht muss. Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger vom Vertrag zurückgetreten sei.“

Auch der Einwand, dass keine First Class mehr auf der Strecke angeboten wird, ist für das Gericht irrelevant:

„Die geschuldete Leistung ist auch nicht gern. § 275 Abs.1 BGB dadurch unmöglich geworden, dass die Beklagten die Flugroute nicht mehr in der First-Class bedient, penn sie verfügt nach wie vor über Flugzeuge mit First Class, könnte diese also auf der Strecke einsetzen. Dass sie es nicht tut, stellt eine betriebswirtschaftliche Entscheidung dar, die sie auch anders treffen könnte. Rein tatsächlich wäre es der Beklagten daher möglich, die geschuldete Beförderung zu erbringen.“

Und selbst, wenn man das nicht verlangen wollte, bliebe ja auch die Möglichkeit, meinen Mandanten auf eine andere Airline umzubuchen:

„Im Übrigen ist dies allerdings auch sonst nicht ersichtlich Die Beklagte schuldet nicht die persönliche Erbringung der Beförderung. Sie ist sogar schon nach ihren eigenen Beförderungsbedingungen berechtigt, auch Dritte Luftbeförderungsunternehmen mit der Beförderung des Klägers zu betrauen. Sodass die die Beklagte dem Kläger allenfalls einen entsprechenden Flug mit einem beliebigen Luftbeförderer in der entsprechenden Klasse anbieten müsste. Hierzu wären allenfalls von der Beklagten die hierfür anfallenden Ticketpreise zu erbringen. Dass dies der Beklagten als einem der größten Luftfahrtkonzerne weltweit nicht zumutbar sein soll, dürfte niemand ernsthaft behaupten wollen.“

Einen zeitlichen Zusammenhang verlangt das BGB nicht, wie das Gericht zutreffend feststellt:

Der Anspruch ist auch sonst nicht durch Zeitablauf untergegangen. Insoweit bedarf es keiner weiteren Erörterung was mit Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne der VO (EG) 261/04 gemeint sein soll. Denn das Problem stellt sich im nationalen Recht nicht. Der Kläger verlangt nicht irgendeine Ersatzleistung, sondern verfolgt seinen primären Beförderungsanspruch weiter. Diesem sind durch die Verjährung Grenzen gesetzt. Allerdings ist vorliegend Verjährung weder geltend gemacht worden, noch ist sie eingetreten.“

Fazit

Die Fluggastrechteverordnung erlaubt keine Vertragsbrüchigkeit, sie stellt nur standardisierte Lösungen dafür bereit und ergänzt nationales Recht der EU-Staaten. Die Entscheidung des AG Köln ist eine Ohrfeige für Luftfahrtunternehmen, die gerade in letzter Zeit recht leichtfertig damit umgehen, verbindliche Verträge nicht zu erfüllen. Für Passagiere ist damit ein bisher wenig beachteter Weg zur Durchsetzung ihrer Ansprüche beleuchtet worden. Wer nicht befördert wurde, hat auch später ein Recht auf Beförderung, wie vertraglich vereinbart, dies entweder durch das Luftfahrtunternehmen selbst oder durch ein anderes Luftfahrtunternehmen. Im Einzelfall dürfte eine kostenlose Erstberatung geeignet sein um zu schauen, ob auch Ihr Fall sich so lösen lässt.

Vielleicht gibt sich Lufthansa hier ja sogar einen Ruck, und setzt ausnahmsweise doch eine 747 mit First Class auf der Strecke eine?

AG Köln, Urt. v. 29.10.2021, 132 C 96/21 hier im Volltext

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