UPDATE: Das Urteil ist am 7. Oktober 2022 verkündet worden
Mit großem Medienrummel wurde die Neuigkeit von Lufthansa angekündigt: In dieser Sommersaison werden Flüge von und nach Palma de Mallorca mit ungewöhnlichem Fluggerät unternommen: Airbus A350 und Boeing 747-8, die beiden (nach Abstellen des A380) verbliebenen Flagschiffe der Lufthansa. Die Besonderheit: Passagiere kommen auf dem recht kurzen Flug sogar in den Genuss der Langstreckenbestuhlung der Deutsche Lufthansa AG, die sehr viel Komfort für so einen Hüpfer bietet. Kenner haben zudem bemerkt: In der 747-8 lässt sich bei Buchung eines Business Class Tickets auch ein Sitzplatz in der „Nase“ buchen, auf den besonders komfortablen Sitzen, in denen sonst ein First Class Service angeboten wird, so bewirbt es Lufthansa auch in der Pressemitteilung:
Downgrade
Nunmehr bemerkten viele treue Lufthansa-Kunden jedoch in ihrer Buchung, dass Lufthansa die Sitzplatzvergabe erneut vorgenommen hat und Sitzplätze in anderen Teilen der Kabine in gewöhnlichen Business-Class Sitzen vorgenommen hat, die – nicht zur Marktspitze gehören. Auch ist eine Veränderung der gebuchten Sitze auf die Sitze in der Flugzeugspitze nicht mehr möglich.
Sitzplätze als Vertragsbestandteil?
Es stellt sich die Frage, ob die bei Vertragsschluss ausgewählten Sitzplätze Teil der vereinbarten Leistung sind. Zumindest in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Lufthansa finden sich dazu Ausführungen:
„Wir sind berechtigt, Sitzplätze jederzeit neu zuzuweisen, auch nach Betreten des Flugzeugs. Dies kann aus Gründen der Sicherheit oder aus operationellen Gründen notwendig sein. Haben Sie für eine vorherige Sitzplatzreservierung bezahlt und wird der Flug annulliert oder wird der Sitzplatz aus Gründen der Sicherheit oder aus operationellen Gründen einer anderen Sitzkategorie zugewiesen, werden wir Ihnen das Entgelt für die Sitzkategorie erstatten.“
Ziff. 5.4.3. der Beförderungsbedingungen
Wirksamkeit dieser Regelung?
Diese Regelung halte ich für AGB-rechtlich unwirksam, da sie nach Sitzplatzauswahl bei Vertragsschluss überraschend ist (§ 305c Abs. 1 BGB), aufgrund ihrer weiten Änderungsbefugnis den Passagier unangemessen benachteiligt (§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Zweifel würde diese Klausel Lufthansa dazu berechtigen, einen First Class Passagier auf einen Economy-Class Sitzplatz zu verweisen, dies ohne triftigen Grund (ja, so lassen sich die AGB in kundenfeindlichster Variante auslegen). Die Folge: Die Klausel wird durch die gesetzlichen Regelungen ersetzt, § 306 Abs. 2 BGB. Das Gesetz kennt aber keine Regelung zur nachträglichen Veränderung eines – wie hier wesentlichen – Bestandteils der Leistung.
AG Düsseldorf: Nichtgewährung eines reservierten Sitzplatzes stellt Mangel dar
Bereits in einem früheren von mir betreuten Fall kam das AG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass die Nichtgewährung eines reservierten Sitzplatzes einen Mangel darstellt.
Ansprüche von Reisenden
Reisende sollten Lufthansa auf jeden Fall auffordern, den ursprünglich vereinbarten Sitzplatz oder einen Sitzplatz in gleicher Kategorie bereitzustellen, dies z.B. mit diesem Musterschreiben.
Nach Ablauf der Frist kann erwogen werden, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um den ursprünglich gewählten Sitzplatz zu erhalten. Sollte die Beförderung auf einem minderwertigeren Sitzplatz erfolgen, kommen zudem Erstattungsansprüche in Frage. Einerseits ergeben sich die aus dem Recht zur Minderung im Werkvertragsrecht, wobei der Wert der erhaltenen Leistung mit dem Wert der zugesagten Leistung verglichen wird. Kommt man zum Beispiel zum Ergebnis, dass die Beförderung in einem First Class Sitz das Doppelte eines Business Class Sitzes wert ist, käme eine hälftige Erstattung in Betracht. Auch die EU-Fluggastrechteverordnung könnte hier weiterhelfen, wenn der Vorgang eine Herabstufung nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 261/2004/EG (Fluggastrechteverordnung) darstellt. Bejaht man dies, käme es bei einer Strecke von unter 1.500 km zur Erstattung von 30 % des Flugpreises, wobei hier nicht die Preisbestandteile einzubeziehen sind, die klassenunabhängig anfallen.
Fazit
Das Verhalten der Lufthansa verärgert nicht nur treue Kunden, die durch die Buchung dieser besonderen Flüge ihre besondere Affinität zur Lufthansa zum Ausdruck bringen, er hat auch handfeste juristische Folgen, die entweder zur Erfüllung oder zumindest zu einer nachträglichen anteiligen Erstattung führen dürften.