Nachdem so langsam die Preisanpassungs-Welle abschwellt, hat ein neues Phänomen die Branche erreicht: Immer mehr Händler sehen sich nicht mehr an den mit ihren Kunden geschlossenen Kaufvertrag gebunden. Ob der Grund wirklich Lieferschwierigkeiten sind, oder ob es vielmehr darum geht, Fahrzeug zu aktuell deutlich höheren Preisen verkaufen zu können, kann ich dabei nicht beurteilen. Ein Musterschreiben, mit dem Sie sich wehren können, finden Sie weiter unten.
Jüngst erreichte mich so z.B. ein Anschreiben von Frau Katja Köchy, handelnd unter Wohnmobile Nordsee aus Wesseln:
Was mit Blick auf die weltweit beeinträchtigten Lieferketten auf den ersten Blick einleuchtet, hält einer juristischen Prüfung meiner Ansicht nach nicht durchgehend Stand. Dazu kommt, dass Verbraucher reichlich irritiert sind, dass die Verkäuferin gleichzeitig noch Neufahrzeuge zum Verkauf z.B. bei eBay Kleinanzeigen (Stand 12. Juli 20:05 Uhr) bewirbt:
Kann ein Verkäufer sich einfach vom Vertrag lösen?
Wenn kein Rücktrittsrecht des Verkäufers vereinbart wurde, ist der Verkäufer grundsätzlich an den Vertrag gebunden, es gilt der Grundsatz pacta sunt servanda.
Verhilft § 313 BGB dem Verkäufer zum Rücktritt?
§ 313 BGB, die „Störung der Geschäftsgrundlage“ wird von Wohnmobilhändlern seit Monaten als vermeintliches As im Ärmel gezogen, um Käufer davon zu überzeugen, dass bindenden Kaufverträge nicht mehr erfüllt werden müssen. Das ist auch schon aus den Preiserhöhungs-Fällen bekannt.
Dabei sind die Anforderungen für § 313 BGB äußerst hoch und dürften in der Regel derzeit nicht erreicht werden. Da branchenweit nur unverbindliche Lieferzeitpunkte vereinbart wurden, können Käufer schlicht länger auf eine Lieferung warten. Selbst sollte eine Erfüllung für den Händler unzumutbar (!) sein (warum sollte das der Fall sein?), kann dieser sich nicht einfach aus dem Vertrag winden: Der Rücktritt ist der Ausnahmefall, diesem geht eine Anpassung des Vertrages vor, § 313 Abs. 3 BGB. Das kann z.B. die Umstellung auf ein anderes Fahrzeug zum Preis des Zeitpunkts der Bestellung bedeuten, sodass Kunden nicht in die Preiserhöhungsfalle geraten.
Und wenn dem Händler die Erfüllung unmöglich ist?
Auch mit Unmöglichkeit werfen Händler gerne um sich und geben dem durch Nennung von § 275 BGB noch einen juristischen Touch. In aller Regel ist aber beim Neukauf eines Wohnmobils eines sogenannte Gattungsschuld vereinbart worden. Solange die Gattung nicht untergegangen ist, es also Fahrzeuge des Typs und – dazu komme ich gleich – der vereinbarten Ausstattung gibt, ist die Erbringung der Leistung nicht unmöglich.
Händler werden spätestens in einem gerichtlichen Verfahren umfassend zur Unmöglichkeit und ihren Bemühungen, so ein Fahrzeug zu beschaffen, vortragen müssen. Haben diese zum Beispiel ihren Lieferanten gerichtlich auf Erfüllung in Anspruch genommen? Haben sie sich anderweitig am Markt nach Neufahrzeugen umgesehen? Oder ergibt sich womöglich, dass Ihnen ein Fahrzeug verkauft wurde, ohne sich gleichzeitig auch mit der Belieferung eines solchen Fahrzeuges einzudecken?
Aber ein Modelljahr 202x gibt es nicht mehr
Auch eine beliebte Masche der Händler: Verkauft wurde z.B. das Modelljahr 2021. Dieses wird – angeblich – nicht mehr herstellt und ein Modelljahr danach sei ja nicht mehr die vertraglich vereinbarte Ware.
Wenn auch Gerichte dies für Fälle der erstmaligen Erfüllung eines Kaufvertrages bisher wenig behandelt haben, halte ich das für eher schwierig und zwar für Händler: So hat der BGH in den Abgasskandal-Fällen zum Beispiel entschieden, dass eine Nacherfüllung eines mangelhaften Fahrzeuges durchaus mit einem Folgemodell erfolgen muss, dies bis zu zwei Jahre nach Vertragsschluss (s. BGH Urt. v. 21.07.2021, VIII ZR 254/20).
In den dortigen Fällen hat der BGH zudem in die Abwägung der Interessen den Umstand eingestellt, dass der Verkäufer für das zurückgenommene Mangelfahrzeug nach längerer Zeit nur noch sehr wenig erlösen kann. Diese Situation ist bei der ausbleibenden Lieferung eines Neufahrzeuges in den Wohnmobil-Fällen nicht gegeben. Ich halte es daher für gut vertretbar, dass auch ein Nachfolgemodell zu liefern ist, falls das ursprünglich vereinbarte Modelljahr nicht mehr verfügbar sein sollte.
Und wenn Ausstattung nicht mehr lieferbar ist?
Wenn einzelne Ausstattungsmerkmale wie z.B. eine elektrische Handbremse oder ein Abstandstempomat nicht mehr lieferbar sind, hat das Gesetz hierfür eine Lösung in § 326 Abs. 1 S. 1 2. HS BGB, die sogenannte Teilunmöglichkeit. Der Lieferanspruch bleibt im Übrigen bestehen, der Kunde muss aber nur einen geminderten Kaufpreis zahlen.
Musterschreiben
Wollen Sie weiter auf die Lieferung Ihres erworbenen Fahrzeuges bestehen, sollten Sie sich schriftlich an Ihren Verkäufer wenden, z.B. mit folgendem Muster:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben mir mitgeteilt, dass Sie den Kaufvertrag zwischen uns nicht weiter erfüllen wollen. Eine Rechtsgrundlage ist dafür nicht ersichtlich. Ich fordere Sie auf, mir bis zum [Datum in 7 Tagen] hier eingehend zu bestätigen, dass Sie den Kaufvertrag so erfüllen werden, wie vertraglich vereinbart.
Mit freundlichen Grüßen
[Name Besteller]
Der Versand kann z.B. per Mail mit dem BCC-Trick erfolgen.
Reagiert Ihr Händler nicht oder verweigert er eine Erfüllung, stehe ich gerne im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zur Verfügung, um die Rechtslage und mögliche Vorgehensweisen mit Ihnen zu besprechen.